Sentimentalitäten haben in der NHL keinen Platz. Personelle Entscheidungen werden in der nordamerikanischen Profiliga kurz und schmerzlos getroffen. Zumindest wenn ein Spieler aussortiert wird. Für den harten Weg in die beste Eishockey-Liga hilft es, das Villacher Gen zu besitzen, das sich durch einen gesunden Aspekt der Unbekümmertheit auszeichnet. Wie es Michael Grabner und Michael Raffl schon vorgelebt haben. Oder nun Thomas Raffl.

Die nervenaufreibenden letzten Wochen erlebte der 29-jährige Team-Kapitän im Trainings-Camp der Winnipeg Jets. Von der ansässigen Presse mit Lobeshymnen überschüttet, zeigte sich Raffl jedoch unbeeindruckt. „Ich wollte einfach alles geben, um mir nie Vorwürfe machen zu können. So eine Chance bekommt man nicht so oft“, schilderte er.

Im Camp zählte der 29-Jährige bereits zu den Oldies. Rund um ihn versuchten junge Spieler um die 20, einen Kabinenplatz zu ergattern. Altersbedingte Zweifel kamen nie auf: „In der besten Liga der Welt spielen die Besten, nicht die Jüngsten.“ An seinem Verbleib bei den Jets änderten auch zwei Kaderreduktionen nichts. Wie er sie erlebt habe? „Der Trainingsplan wurde uns jeden Tag per SMS geschickt. Wer diese Nachricht nicht erhalten hat, dessen Kabinenplatz blieb am nächsten Tag frei. Das ist mir zum Glück erspart geblieben“, erzählt Raffl.

Ganz im Gegenteil: Der Villacher wurde in den Testspielen mit unterschiedlichen Rollen betraut. Einmal in den vorderen Sturmlinien eingesetzt, bedachte ihn Trainer Paul Maurice dann wieder mit weniger Eiszeit. Raffl blieb so locker wie möglich, versuchte stets, seine Bestleistung abzurufen: „Mein Bruder Michael (Philadelphia Flyers, Anm.) hat mich darauf vorbereitet, dass sie versuchen, die Mentalität der Spieler auf die Probe zu stellen.“ Die Prüfungen dürfte er zur vollsten Zufriedenheit gemeistert haben. Für ihn hat nun das große Warten bis zu einer Entscheidung begonnen.

Noch am Sonntag Abend starteten Gespräche zwischen Winnipeg Jets und Red Bull Salzburg hinsichtlich eines NHL-Kontrakts (Zwei-Wege-Vertrag, der den Jets erlaubt, Raffl ins Farmteam zu schicken). Die vom internationalen Eishockey-Verband IIHF festgelegte Ablösesumme von 240.000 US-Dollar sollte jedoch für den kanadischen Klub kein Stolperstein sein. Für die Bullen könnte dennoch ein Horrorszenario eintreten, wenn der Villacher zukünftig lediglich im AHL-Team Manitoba Moose eingesetzt wird. So oder so: Raffl zeigte in den vergangenen Wochen beeindruckende Leistungen. Heute soll die endgültige Entscheidung feststehen. Dann erhält der Villacher hoffentlich erneut eine SMS.

MARTIN QUENDLER