Nach dem Anschlag auf einen Homosexuellenklub in Orlando gibt es nach den Worten von US-Präsident Barack Obama bisher keine "klaren Hinweise" darauf, dass der Angriff aus dem Ausland gesteuert worden sei. Bisherige Erkenntnisse deuteten jedoch darauf hin, dass der 29-jährige Todesschütze Omar Mateen sich durch das Internet radikalisiert habe.

Mateen habe offenbar "verschiedenstes extremistisches Material" verschlungen, das er im Netz gefunden habe, sagte der US-Präsident nach einem Treffen mit FBI-Chef James Comey und Heimatschutzminister Jeh Johnson. Der Sohn afghanischer Einwanderer hatte sich während des Angriffs in einem Anruf bei der Polizei zur Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) bekannt. Der IS bezeichnete Mateen als "Soldat des Kalifats". 

Vom Ort des Anschlags aus hatte Mateen bei der Notrufnummer angerufen und ein rituelles Treueversprechen gegenüber dem IS abgegeben, der sich nach der Tat denn auch im Internet zu dem Anschlag bekannte. Dennoch ist durchaus wahrscheinlich, dass es keine direkten Verbindungen zwischen Mitgliedern der Terrororganisation und Omar gegeben hat. Auch die Attentäter von San Bernardino oder Elton Simpson, der 2015 auf eine Ausstellung von Mohammed-Karikaturen in Texas feuerte, hatte ihre Treue gegenüber dem IS auf Facebook bzw. Twitter bekundet ohne dass es zuvor intensive Kontakte gab.

Auch der Mann, der in Frankreich einen Polizisten und seine Frau ermordete, berief sich vor seiner Tat auf Allah, und danach bezeichnete die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bezeichnete die Geiselnahme als Tat eines ihrer Aktivisten, obwohl auch dieser Täter vermutlich als Einzeltäter agierte.

Zivilisten als Ziel

Das wahllose Zuschlagen auf Zivilisten, die sich an nicht gesicherten Orten aufhalten, gehöre seit den Anschlägen mit Passagierflugzeugen auf das Word Trade Center in New York zur Signatur des islamistischen Terrors von Al-Qaida und Co, analysiert Florian Rötzer auf dem Nachrichtenportal "Telepolis". Als Beispiele nennt er die Anschläge von BaliMumbai oder Dscherba.

Palästinensische Terroristen übernahmen die Strategie, im islamistischen Terrorismus wurden die "einsamen Wölfe" zur expliziten Strategie. Begonnen hat damit nicht der IS sondern schon Al-Quaida im Jemen. Dabei gab es immer wieder Querverbindungen in den Westen. Im Magazin "Inspire", das auch im Westen starke Verbreitung fand, wurde unverhohlen für den "individuellen Dschihad" geworben.

Terror-Experte Peter Neumann vom Kings College in London über die Terror-Gefahr durch "einsame Wölfe":

"Einsame Wölfe"

Saïd Kouachi, der mit Chérif Kouachi 2015 den Anschlag auf Charlie Hebdo ausführte, hatte noch persönliche Beziehungen zu Al-Qaida im Jemen. Die Boston-Attentäter Dzhokhar und Tamerlan Tsarnaev, die 2012 den Anschlag auf den Marathon ausführten, sind ein Beispiel für die Umsetzung der Strategie und die Fernrekrutierung von "einsamen Wölfen", die selbst und ohne Absprache mit der Terrororganisation Anschläge planen und ausführen. Sie sollen auf die Idee durch das Magazin Inspire gekommen sein und daraus gelernt haben, wie man einen Sprengsatz herstellt.

Der Islamische Staat (IS), eine Terrororganisation, die sich von Al-Qaida abspaltete, übernahm das Konzept der "einsamen Wölfe". Über eigene Medien, vor allem aber über die Sozialen Netzwerke verteilt man Fotos und Videos und versucht, Sympathisanten dazu zu bringen, dass sie auf eigene Faust Anschläge ausführen.

Aufruf zu Anschlägen

Die Aufrufe sind eindeutig: "Jeder Muslim sollte aus einem Haus gehen, einen Kreuzfahrer finden und ihn töten." Auch vor dem im Juni begonnenen Fastenmonat Ramadan forderte IS-Sprecher Adnani dazu auf, während des Ramadan Anschläge auszuführen, erinnert Rötzer. 2014 hatte er gesagt, niemand brauche den IS zu fragen, ob er in seinem Namen einen Anschlag begehen kann, er brauche auch keinen Rat einholen. Wer keine Schusswaffe habe, könne auch ein Messer oder ein Auto verwenden, um Ungläubige zu töten.

Wichtig sei, dass die Morde dem IS zugeschrieben werden oder ein Treueschwur erfolgt. So kann die Terrororganisation sich die Anschläge, zumal wenn sie "erfolgreich" waren, zuschreiben, auch wenn sie selbst damit nichts zu tun hat.

Es reicht also, dass ein Sympathisant in irgendeiner Form bekannt, dem IS anzugehören, um in seinem Namen Anschläge auszuführen. Allerdings muss der IS sich dann nicht automatisch dazu bekennen, sondern er wartet in einem zweiten Schritt erst ab, ob er sich diese Tat wirklich zuschreiben will. Im Fall von Omar Mateen hatte man es besonders eilig, sich zu dem Anschlag zu bekennen und Mateen als "IS-Kämpfer" zu feiern.