Immer wieder musste sich der erste schwarze Präsident Barack Obama vorhalten lassen, ein außenpolitisches Leichtgewicht zu sein. Eine "lame duck" gar, nachdem die Republikaner mit einer Mehrheit in beiden Kammern des US-Kongresses viele politische Schritte des US-Präsidenten blockieren können. Doch im Endspurt seiner zweiten Amtszeit und damit zum Ende seiner Präsidentschaft versucht sich Obama doch noch den Platz in der Geschichte als erfolgreicher Präsident zu sichern. Innenpolitisch steht bisher "nur" die Gesundheitsreform zu Buche. Aber jetzt kommen außenpolitische Erfolge fast im Monatstakt. Erst geht er den Schritt auf Erzfeind Kuba zu und startet damit die Wiederaufnahme der Beziehungen. Und nun gelingt seiner Administration der Durchbruch mit einem anderen großen Erzfeind Iran.
Damit könnte Obama am Ende vielleicht sogar seinen voreiligen Friedensnobelpreis rechtfertigen. Denn mit seinen Reden im Wahlkampf und auch in den ersten Monaten seiner Amtszeit verzückte er einst die Menschheit mit seiner Vision einer friedlichen Welt. Einer Welt, in der die Kräfte des Bösen sich allein durch die schönen Reden des US-Präsidenten besänftigen lassen. Im Jahr 2009 nahm er den Friedensnobelpreis an, nannte den Krieg seines Vorgängers George W. Bush im Irak „dumm“ und forderte eine Welt ohne Atomwaffen. Obama versprach einen „Neustart“ der Beziehungen zu Russland und streckte der islamischen Welt in seiner Kairoer Rede die Hand aus. Doch dann flogen US-Kampfjets Angriffe gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" im Irak und Syrien. Das Verhältnis zu Russland verschlechterte sich zu einem neuen Kalten Krieg. Und das Gefangenlager Guantanamo auf Kuba ist entgegen aller Versprechungen immer noch nicht geschlossen.
Neustart mit Kuba
Schon mit der Aussöhnung mit den Castro-Brüdern sicherte sich Obama seinen einen Platz in den Geschichtsbüchern. Nach über 50 Jahren Eiszeit nehmen Kuba und die USA wieder diplomatische Beziehungen auf. Bereits am 20. Juli sollen in Havanna und Washington die Botschaften feierlich eröffnet werden. Sogar Außenminister John Kerry will dazu nach Havanna reisen - eine echte Zeitenwende steht bevor. Die Aussöhnung mit Kuba stand schon lange auf Obamas Agenda - doch weil er Gegenwind fürchtete, hat er bis zur letzten Hälfte seiner zweiten Amtszeit gewartet. Er überraschte die Welt, als er im vergangenen Dezember gemeinsam mit dem kubanischen Staatschef Raul Castro die Wende bekannt gab. "Todos somos americanos", sagte Obama damals in Feierlaune auf Spanisch - Wir sind alle Amerikaner
Im April folgte der nächste Coup: Obama und Castro trafen sich in Panama-Stadt. Was dort geschah, kann als historisch bezeichnet werden. Der 83-jährige Revolutionär Raul Castro - Bruder des legendären "Maximo Lider" Fidel - erinnerte an die Übergriffe der USA, an die Mordversuche der CIA an seinem Bruder, an die blamabel gescheiterte Invasion in der Schweinebucht 1961. Um dann aber Obama von jeder Schuld an den Verstrickungen der Vergangenheit zu befreien. "Meiner Meinung nach ist Obama ein ehrlicher Mann", meinte der alte Kämpfer. "Sein Verhalten hat viel mit seinem einfachen Hintergrund zu tun." Der 30 Jahre jüngere Obama blickte bei so viel Lob nur betreten zu Boden.
Historischer Coup mit Iran
Und nun der vielleicht noch größerer Obama-Coup. Zuletzt saß Barack Obama nur noch im Weißen Haus - und wartete und zitterte. Die vergangenen Tage dürften für ihn die nervenaufreibendsten seiner Amtszeit gewesen sein. Seinen Terminplan hatte sich der US-Präsident radikal ausdünnen lassen: Nichts anderes zählte mehr, wie gebannt schaute er auf die Wiener Atomverhandlungen mit dem Iran.
Selbst in Teheran wurde Obama nach der in Wien erzielten Einigung im Atomstreit bejubelnt. Nach Augenzeugenberichten feiern alleine auf der Parkway Autobahn Tausende hauptsächlich Jugendlicher in ihren Autos mit iranischen Flaggen und lauter Pop-Musik. Dabei waren viele "Obama, Obama"-Sprechchöre und die Forderung nach einer Wiederaufnahme der Beziehungen zu den USA zu hören
Rund 60 Tage hat der US-Kongress nun Zeit und Gelegenheit, den Atom-Deal gutzuheißen oder zu kippen. Zwar kann Obama den Widerspruch des Kongresses mit seinem Veto abbügeln, und es ist nicht sonderlich wahrscheinlich, dass der Kongress dieses Veto anschließend mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit außer Kraft setzen kann. Aber es wäre bereits ein schwerer Schönheitsfehler, wenn Obama tatsächlich zum Veto greifen müsste, um seine wichtigste außenpolitische Errungenschaft durchs Parlament zu kriegen - das wäre wie ein hässlicher Fleck in den Geschichtsbüchern
Werbung im In- und Ausland
Nach der historischen Einigung mit dem Iran hat der US-Präsident jedenfalls intensiv im In- und Ausland für die Vereinbarungen geworben. Hinter den Kulissen informierte das Weiße Haus am Dienstag Vertreter ausländischer Regierung und Nichtregierungsorganisationen sowie Journalisten über das Atomabkommen. Obama unterrichtete persönlich einige Kongress-Mitglieder. Er telefonierte mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, dem französischen Staatschef Francois Hollande, dem britischen Premier David Cameron und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Aber auch Gegner und Skeptiker rief er an: So legte Obama dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu und Saudi-Arabiens König Salman die Vereinbarungen mit Teheran dar.
In den US-Medien wird Obamas Iran-Politik allerdings kritisch gesehen. Die "Washington Post" bezeichnet die Vereinbarung als "leichtsinnige Wette". "Der Deal läuft darauf hinaus, den Führungs-Staffelstab schrittweise an eines der schlimmsten Regimes in der Welt zu reichen in der Hoffnung, dass sich sein Wesen ändern wird. Obama hat die Zukunft des Nahen Ostens und Amerikas Einfluss in der Region in einem Lotteriespiel verwettet." Auch die "New York Times" schriebt nachdenklich: "Herr Obama wird längst aus dem Amt sein, bevor angemessen bewertet werden kann, ob dieser Würfelwurf sich gelohnt hat." Weit härter urteilt das "Wall Street Journal": "Präsident Barack Obama hat die außenpolitische Spielanleitung wirkungsvoll geschreddert, die die USA auf der Weltbühne für Jahrzehnte geleitet hatte." Um dann aber versönlich zu enden: Der Erfolg von Obamas Außenpolitik, sich auf US-Gegner einzulassen, werde sich erst lang nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus messen lassen.
Russland wartet
Und dann könnte demnächst noch ein historischer Schritt den außenpolitischen Ruhm Obamas mehren. Russland erwartet Außenminister Sergej Lawrow zufolge von den USA nun ein Ende der Pläne für eine Raketenabwehr in Europa.
US-Präsident Barack Obama habe 2009 in seiner Prager Rede gesagt, dass sich das Vorhaben bei einer Einigung mit dem Iran erledigen würde. "Die Einigung von Wien wird das Nichtweiterverbreiten von Atomwaffen positiv beeinflussen und eine heilende Wirkung haben auf die Lage im Nahen Osten, in Nordafrika und am Persischen Golf", sagte Lawrow.