Lebt und arbeitet für die Kunst“, steht auf dem Transparent, ein Spruch von Erwin Stefanie Posarnig, der die Stange hält. Gilt auch für fast alle anderen der knappen Hundertschaft, die sich heute Mittag (10. Juli) auf dem Südtirolerplatz in Graz versammelten: Dorothee Steinbauer und Josef Klammer, Luise Kloos und Günter Eisenhut, Elisabeth Arlt und Simon Hafner, Astrid Kury und Werner Wolf, Felix Breisach, Irmi und Reinfrid Horn . . .


So viele Köpfe aus der freien Szene auf einem Fleck sah man jedenfalls noch selten. Grund der Versammlung: Einhelliger Protest gegen die zum Teil harten Kürzungen bei den Mehrjahresverträgen 2016-18, die die Landesregierung kürzlich beschlossen hat, und gegen die Prozesse des Kulturkuratoriums, das die Einreichungen vorher sichtete (wir berichteten).

Demonstration gegen Kürzungen, für Solidarität
Demonstration gegen Kürzungen, für Solidarität © Gery Wolf


44 Kulturinitiativen von A(kademie Graz) bis X(enos) äußerten mit der Demonstration das, was sie auch Kulturlandesrat Christian Buchmann in einem Offenen Brief schrieben: Die Bewertungen und Entscheidungen des Kuratoriums seien unprofessionell und nicht nachvollziehbar, dessen Begründungen für Kürzungen unzureichend, dessen Rolle generell fragwürdig. Die Forderungen: Neuverhandlungen der Verträge und eine Änderung des Beiratsystems. Letzterem schloss sich auch die Grazer Kulturstadträtin Lisa Rücker in einer Aussendung an, denn die jetzige Struktur sei „intransparent und wenig wertschätzend“.


Tatsächlich ist das 15-köpfige Kulturkuratorium, das mit einer Novelle zum Kulturförderungsgesetz seit Februar 2013 den Landeskulturbeirat und Förderbeirat ersetzt, schon mehrfach ins Schussfeld geraten. Moniert wurden immer wieder der respektlose, „inquisitorische“ Umgang mit Bewerbern. Eine Kritik, die gestern auch von innen eine Bestätigung erfuhr: Margarethe Makovec vom Kunstverein rotor trat gestern als Kuratorin zurück, „weil das Gremium in einer Weise autoritär geführt, die mir bis dato unbekannt war und die ich gerade bei der fachlichen Beurteilung künstlerischer und kultureller Produktionen und Einrichtungen für inadäquat erachte“.

Heidrun Primas
Heidrun Primas © Gery Wolf


Heidrun Primas vom selbst nicht gekürzten Forum Stadtpark sah bei der gestrigen Kundgebung durch die Kürzungen auch wertvolle Kooperationen gefährdet, mit dem gezeigten Schulterschluss wolle man aber bewusst Zeichen der Solidarität setzen: „Kultur ist der Seismograph der Gesellschaft. Und es ist gerade jetzt wichtig, zusammen zu schauen, zu denken, zu agieren“.

Ilse Weber und Reni Hofmüller
Ilse Weber und Reni Hofmüller © Sabine Hoffmann



Für Ilse Weber vom ESCmedien kunst labor ist das Kulturkuratorium „eigentlich dazu da, die Szene zu unterstützen, zu vermitteln und den Diskurs voranzutreiben“. Derzeit müsse man aber schon fragen: „Was war bisher seine Leistung?“ Eine Evaluierung täte not, aber besser noch  die (Wieder-)Aufteilung in Kulturbeirat und Fachbeirat, der in der jetzigen Struktur praktisch keine Rolle spiele.

Webers Kunstverein-Kollegin Reni Hofmüller stieß ins selbe Horn und betonte, man wolle sich „von der Bürokratie nicht einfach undurchschaubare, katastrophale Entscheidungen vor die Nase knallen lassen“. Wie Primas sieht sie ein über lange Zeit gut gewachsenes Feld von Netzwerken und Kooperationen, von so qualitätsvollen wie vielfältigen Produktionen in Gefahr, „aber wir lassen uns nicht auseinander dividieren!“

Reaktion von Landesrat Christian Buchmann

Laut Landesrat Buchmann werde das Kulturkuratorium, das „gute und glaubwürdige Arbeit leistet“, keinesfalls abgeschafft und auch nichts zurückgenommen: „Es gibt einen Regierungsbeschluss zu den Förderverträgen 2016-18. Wer seinen Vertrag nicht annehmen will, dem steht das frei“. Dass bei 800 Anträgen pro Jahr in bis zu 30 Sitzungen, die übrigens 80.000 Euro kosten, nicht alles immer fehler- und friktionsfrei laufen könne, läge in der Natur der Sache. Er sei aber jedenfalls dafür, dass neben Ablehnungen auch Kürzungen künftig begründet werden und halte es nach wie vor für eine Qualität, Betroffene in dem Vergabeprozess zu Beteiligten zu machen. Zu den unversteckten Vorwürfen an Igo Huber sagt Buchmann, er werde ihm nicht nahelegen, den Kuratoriumsvorsitz abzugeben, zudem wähle das Gremium den Vorsitzenden ja selber. Und zur schiefen Optik, dass just Vereine von Kuratoriumsmitgliedern gleich viel oder mehr als bisher an Förderungen erhalten: „Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich manche etwas gönnen, diese Kritik muss das Kulturkuratorium aushalten.“

STIMMEN

Irmi Horn
Irmi Horn © Gery Wolf

Obwohl viele wie wir täglich zwölf Stunden Gratisarbeit reinstecken und alle vorgegebenen Kriterien erfüllen, sind wir die Verlorenen. Die Entscheidungen des
Kuratoriums sind impertinent. Aber vielleicht will man ja Stadt und Land versauen und vertrotteln lassen ohne Kultur.
Irmi Horn vom Grazer kunstGarten, gekürzt von 18.000 auf 15.000 Euro.

Elisabeth Arlt
Elisabeth Arlt © Schleich

Wir sind seit 1995 Pioniere bei Kooperationen mit den Nachbarländern. Ein Drittel weniger ist ein Schock. Noch im Februar gab es offizielles Lob, aber von dem wird man nicht satt. Es geht auch um unsere qualifizierten Mitarbeiter, unsere wirtschaftlichen Impulse für die Region.
Elisabeth Arlt vom Pavelhaus/Laafeld, gekürzt von 85.000 auf 55.000 Euro.

Anita Hofer
Anita Hofer © Sabine Hoffmann

Die Kürzungen treffen systematische jene Initiativen, deren Arbeit nicht mehr gewünscht ist. Viele davon beschäftigen sich mit Zeitgenössischem, Experimentellem. In der Politik aber herrscht ein restauratives Kulturverständnis, und das
Kuratorium ist deren Exekutor.
Anita Hofer von der IG Kultur, der Interessenvertretung für mehr als 100 Kunst- und Kulturinitiativen im Land

Astrid Kury
Astrid Kury © www.graz.at

Wir wurden ja zusammengestrichen mit dem Argument, wir hätten zu viel Bildung im Programm. Ja, haben wir, tut mir leid! Aber für uns zählt Bildung eben zur Voraussetzung für die Reflexion und das Verständnis von Kultur und vielem mehr.
Astrid Kury von der Akademie Graz,
gekürzt von 145.000 auf 100.000 Euro.

Ernst M. Binder
Ernst M. Binder © Sabine Hoffmann

Gegen die Verwahrlosung des Volks, die sich ja auch mit dem Ausgang der Landtagswahl zeigte, helfen nicht „Brot und Spiele“, da helfen nur Bildung, Kunst und Wissenschaft.
Ernst M. Binder von dramagraz, gekürzt von 95.000 auf 65.000 Euro, in einem Offenen Brief an Kulturlandesrat Christian Buchmann.