"Schaut nicht zurück, dort wart Ihr schon!“, lautet ein hübscher Ratschlag in Gianrico Carofiglios jüngstem Roman „Am Abgrund aller Dinge“. Freilich schaden Rückblicke nie, weil sie das War mit dem Ist vergleichen und damit hinterfragen, ob Schritte auch Fortschritte waren.
In diesem Sinn zog die IG Kultur am Dienstag in einer Pressekonferenz im Grazer Künstlerhaus Bilanz über ihre Arbeit in den letzten fünf Jahren. Über kulturpolitische Maßnahmen und Forderungen, die bis dato teils erfüllt, teilerfüllt oder unerfüllt sind.

Aus dem Katalog an Vorschlägen, die sich hauptsächlich an die Landespolitik richt(et)en: Abschaffung der Kulturservice-Gesellschaft KSG, die ja nun bis Jahresende erfolgt. Die Kampagne „Fair Pay“ für ein adäquates Gehaltsschema für Kulturarbeiter. Oder „Good Governance“ in der Beziehung zwischen Fördergebern und Fördernehmern, in der es Verbesserungen gebe, wie Simon Hafner betonte; dennoch seien die Abrechnungsmodelle in der Steiermark am aufwendigsten, von anderen Bundesländern wie Vorarlberg könnte man sich viel abschauen.

Grundsäule der Gesellschaft wackelt

Hafner will wie die anderen im siebenköpfigen IG-Vorstand um Anita Hofer nicht ständig bloß die Geldscheinsonate anstimmen. Der Musiker und DJ liest aber aus dem Resümee über die Aktivitäten der Kulturpolitik von 2010 bis 2015, das man gestern auch zog, die Gefahr, „dass sehr viele Arbeitsplätze verloren gehen und die Kultur als Grundsäule der Gesellschaft mehr und mehr abhanden kommt“.

Mit der Petition „Zukunft sieht anders aus“ an die Landesregierung hatte die IG Kultur erst im März ein Alarmsignal gesetzt. Dass den Hinweis auf existenzgefährdende Förderkürzungen nur 625 Leuten unterschrieben, sehen die Interessensvertreter mit Sorge: „Es fehlt die Solidarität. Und viele sind einfach überfordert oder frustriert oder trauen sich gar nicht mehr, kritisch Stellung zu nehmen“.

Die IG Kultur registriert jedenfalls „große Depression und große Enttäuschung unter den Kulturschaffenden“. Die Lage werde noch verschärft, indem von der Politik hauptsächlich Worthülsen kämen. Oder gleich gar nichts mehr. Ein Blick in die Parteiprogramme vor der Landtagswahl genüge: Bis auf eine Ausnahme (ÖVP) beredtes Schweigen über Kunst und Kultur.

MICHAEL TSCHIDA

46,2 Millionen Euro des gesamten Kulturbudgets des Landes von 57,8 Millionen Euro gehen an Landeseinrichtungen, zum Beispiel an die Grazer Oper
46,2 Millionen Euro des gesamten Kulturbudgets des Landes von 57,8 Millionen Euro gehen an Landeseinrichtungen, zum Beispiel an die Grazer Oper © David Bauer

ZAHLEN & FAKTEN

425 Millionen Euro beträgt das Bundeskulturbudget 2015, das sind 0,59 % vom Gesamtetat. Nur 4 % davon wandern in die Steiermark. Nach bundeseinheitlichen Vertragsanteilen stünden der Steiermark 13,8 % zu. Länder wie Salzburg oder Vorarlberg erhalten rund 10 %, in Wien bleiben 35 %.

5,3 Milliarden Euro beträgt laut Voranschlag 2015 das Gesamtbudget der Steiermark. 57,8 Millionen Euro
davon fließen in die Kulturförderung. Mit diesem Kulturbudget-Anteil von 1,1 % ist die Steiermark, obwohl sie die meisten Kulturinitiativen hat, Schlusslicht unter den Bundesländern, die es im Schnitt auf 3 bis 4 % bringen. Und noch ein Vergleich: Auch die Stadt Graz verwendet 4 % ihres Gesamthaushaltes für Ausgaben im Kulturbereich.

57,8 Millionen Euro an Kulturförderungen werden aufgeteilt auf die Landeseinrichtungen wie die Theaterholding und das Universalmuseum Joanneum (46,2 Millionen), die allgemeinen Förderungen für die Freien (8,5 Millionen) und die Volkskultur (3,1 Millionen).

10 Millionen Euro sind heuer für die freie Szene und regionale Initiativen im Landeskulturbudget vorgesehen –
inklusive mehrjähriger Vereinbarungen und diverser Sondermaßnahmen.

203 Ansuchen für die mehrjährigen Förderverträge 2016-18 werden derzeit vom 15-köpfigen Kulturkuratorium des Landes geprüft. Bis 10. Juli soll die Regierung über die Vergaben entscheiden. Zuletzt waren 191 Projekte eingereicht worden, 156 Förderungen wurden schließlich vergeben.

400.000 Euro werden mit der im März beschlossenen Liquidierung der Kulturservice-Gesellschaft mit Ende des Jahres frei, sie sollen ab 2016 der freien Szene zugute kommen.

4 Millionen Euro oder 33 % ihres Anteils weniger hätten die „Kleinen“ aus der Szene zu verkraften, 6 Millionen Euro oder 12 % minus die „Großen“ (Bühnen, Joanneum & Co): Die 2011 von Landesrat Buchmann ausgegebene
Parole „Die Großen retten die Kleinen“ stimme laut IG Kultur also nicht.

Rund 100 Kulturinitiativen im Land finden in der Interessensvertretung IG Kultur ihr Sprachrohr. igkultur.mur.at

Demonstration für Clubkultur im Graz
Demonstration für Clubkultur im Graz © David Bauer