Für wenige Tage wollte Sebastian Kurz in New York den innenpolitischen Niederungen entkommen, am Dienstag holte ihn der Wahlkampf ein. Das Gerüchte, der „Falter“ würde eine Fülle von offenkundig internen ÖVP-Papieren, aus denen hervorgeht, dass Kurz die Machtübernahme von langer Hand geplant habe, veröffentlichen, sorgte vorübergehend für Irritationen. Dass ein Pressesprecher in einer ersten Reaktion „Zweifel an der Echtheit der Papiere“ angemeldet hatte, verkomplizierte die Situation. Plötzlich hieß es, Kurz würde einen Tag früher als geplant nach Wien zurückkehren. Musste er in der Heimat nach dem Rechten schauen?
Dass die Unterlagen aus dem Umfeld des Außenministers kommen, war schon am Dienstag klar. Unklar war, ob die Papiere nachträglich manipuliert worden waren. Als um 17 Uhr der „Falter“ das Konvolut online stellte, konnte Entwarnung geben werden. Es enthält vor allem inhaltliche, strategische, personelle Überlegungen für die Zeit nach der Machtübernahme. Dass Kurz die Volkspartei in die nächste Wahl führen würde, war 2016 in hochrangigen ÖVP-Kreisen ein offenes Geheimnis, Reinhold Mitterlehner hatte in Interviews nicht mehr auf eine Kandidatur gepocht. Sich für den Tag X konzeptionell vorzubereiten, zeugt von einem gewissen Professionalismus. Sollte der Vorwurf stimmen, Mitarbeiter des Außenministeriums hätten an den Papier mitgewirkt, macht sich Kurz politisch angreifbar. Allerdings hat in Österreich die saubere Trennung von Politik und Partei leider keine Tradition.
Tatsächlich flog Kurz einen Tag früher als geplant nach Wien zurück. Die für den Mittwochabend geplante Rede konnte der Außenminister 24 Stunden früher halten – „weil ein Redner ausgefallen“ sei. Der ÖVP-Chef sah keinen besonderen Grund mehr, noch länger in New York zu verweilen. Kurz dürfte die vorzeitige Abreise sehr gelegen kommen. So kann er sich in Wien von einer hartnäckigen Verkühlung auskurieren. Am Samstag steigt der Wahlkampfauftakt vor 10.000 Leuten in der Stadthalle in Wien.