Die neue Koalition will die gesamte Verwaltung Österreichs auf den Prüfstand stellen und setzt zu einer umfassenden Verwaltungsreform an. Wie wichtig den beiden Parteien dieser Punkt ist, lässt sich am künftigen Ministerium von Josef Moser ablesen. Er soll nicht nur Justizminister werden sondern auch Minister für Staatsreform. Neben einer Kostenreduktion und einer Effizienzsteigerung, die zu einem wirksameren Einsatz von öffentlichen Mitteln führen soll, haben ÖVP und FPÖ sich eine größere Bürgernähe zum Ziel gesetzt.
Im Kapitel "Staat und Europa" ist allerdings auch die außenpolitische Leitlinie der künftigen Regierung festgelegt. Darin bekennt sich die Koalition ausdrücklich zur Europäischen Union. Allerdings will man an deren Weiterentwicklung aktiv mitarbeiten. Außerdem wurde die Kandidatur für den UN-Menschenrechtsrat und den Weltsicherheitsrat festgeschrieben.
Direkte Demokratie: Der wohl wichtigste Unterpunkt im Staatswesen ist die Weiterentwicklung von Volksbegehren. In einer ersten Stufe soll möglich schnell eingeführt werden, dass 100.000 Wahlberechtigte eine echte Gesetzesinitiative starten können. Sie muss dann im Nationalrat behandelt werden mit einem Rederecht des Einbringers vor dem Parlament. In einer zweiten Stufe soll ab 2022 ein Volksbegehren auch in einer Volksbefragung münden können. Dafür muss das Begehren von mindestens 900.000 Wahlberechtigten unterstützt werden und vom Parlament innerhalb eines Jahres nicht behandelt worden sein. Dabei soll es dann jeweils eine Vorabkontrolle des Verfassungsgerichtshofs geben, um keinen Widerspruch zu den grund-, völker- und europarechtlichen Verpflichtungen Österreichs festzuestellen. Die EU-Mitgliedschaft ist von dieser Möglichkeit aber ebenso ausgeschlossen wie andere Mitgliedschaften in internationalen Organisationen.
Schuldenbremse: Sie soll in der Verfassung verankert werden. Durch die verfassungsmäßige Regelung will sich die Regierung zu einer dauerhaften Reduzierung der Staatsschuldenquote verpflichten und dies transparent machen. Transparenz ist ohnehin ein Kernwort des Regierungsprogramms.
Transparenzdatenbank: Um die öffentliche Förderung durch EU, Bund, Länder, Gemeinden und übrige Rechtsträger strukturiert und über alle Gebietskörperschaften übergreifend zu erfassen, soll eine Förderungsdatenbank eingerichtet werden. Wer sich nicht einbringt in die Datenbank, soll mit Sanktionen belegt werden etwa beim Finanzausgleich.
Entflechtung: Öffentliche Aufgaben sollen besser strukturiert werden. Dazu sollen überschneidende Kompetenzen ebenso vemieden werden wie Parallelstrukturen. Außerdem will man die mehr als 6000 ausgelagerten Einheiten der Institutionen und ihrer Hierachieebenen überprüfen. Außerdem sollen Organisationsstrukturen landesweit vereinheitlich werden. Stichwort: "One-Stop-Shop" für den Bürger.
Bürgerbeteiligung: Um Verwaltungen, Gesetze und andere Regularien zu nach ihrem Nutzwert zu durchforsten und gegebenenfalls zu entmisten, sollen sich Bürger beteiligen können. Dafür soll ein österreichweites Beteiligungsverfahren auf einer eigenen Online-Plattform installiert werden. Dort können sich Unternehmen, Bürger aber auch Beamte selber melden. Eine Expertenkommission soll dann die Vorschläge prüfen.
Kompetenzgerangel: Bund und Länder haben zahlreiche Möglichkeiten, sich über gegenseitige Zustimmungsrechte zu blockieren. Dort will die neue Regierung Änderungen bewirken.
Wiener Zeitung: Unter dem Stichwort "Schlanker Staat" verbirgt sich auch eine Hiobsnachricht für die Wiener Zeitung. Sie soll die Verlautbarungspflichten des Gesetzgebers verlieren. Die Zeitung zieht daraus allerdings einen erheblichen Teil ihrer Finanzierung und ihrer Existenz bedroht sein.
Doppelstrukturen: Die Österreichische Nationalbank (OeNB) und die Finanzmarktaufsicht (FMA) sollen in eine Institution überführt werden. Auch andere Behörden stehen auf dem Prüfstand - etwa die Forschungsförderungsagenturen in ihrer Anzahl.
Sauberkeit in der Politik: Ein pikanter Punkt aus dem Wahlkampf soll entschärft werden. Rechtsnormen soll so angepasst werden, dass "Dirty-Campaigning" verfolgt werden kann.
Wahlrecht: Die Briefwahl soll erleichtert werden. Beantragung, Ausstellung und Stimmabgabe sollen in einer Gemeinde in einem Schritt möglich werden. Zudem sollen diese Stimmen noch am Wahltag ausgezählt werden.
Außenpolitik: Österreich soll sich für einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat von 2019 bis 2021 bewerben und ebenso für einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat von 2027 bis 2029.
Europäische Union: Die Koalition bekennt sich ausdrücklich zur Mitgliedschaft in der EU und zu der daraus erwachsenden Verantwortung. In diesem Absatz ist eindeutig die Handschrift des bisherigen Außenministers Sebastian Kurz zu erkennen. Allerdings wird betont, dass man am Grundsatz der Subsidarität aktiv mitgestalten will. Damit wird das Szenario 4 der EU-Kommission unterstützt, die weniger aber effizientere Zusammenarbeit in der Union vorsieht. Im Regierungsprogramm heißt das "Entbürokratisierung auf EU-Ebene". Dafür soll in Österreich ein eigener EU-Konvent abgehalten einberufen werden, um eine gemeinsame Position Österreichs zu erarbeiten. Außerdem will man für diesen Kurswechsel zu mehr Bürgernähe in der EU den EU-Ratsvorsitz im Jahr 2018 nutzen.
Türkei-EU-Beitritt: Im Programm ist ausdrücklich festgeschrieben, dass eine Beitritt der Türkei zur EU keine Zustimmung finden kann und nach Verbündeten für den Abbruch der Verhandlungen gesucht werden soll.
Internationale Vertretungen: Die Regierung will auch die Vertretungen im Ausland bündeln. Dafür sollen nach Möglichkeit "Österreich-Häuser" geschaffen werden, um dort alle Außenvertretungen des Landes zu vereinen. Im Programm heißt das "One-Stop-Shop" für Vias, Wirtschaftsberatung, Spracherwarb und Kulturvermittlung.
Entwicklungszusammenarbeit: Die EZA soll gestärkt werden. Der Anteil soll auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöht werden. Die Hilfe soll allerdings starker als bisher an die Kooperation bei der Rücknahme von abgelehnten Asylwerbern gekoppelt werden.