Fast zehn Jahre stand sie an der Spitze ihre Partei - jetzt wurde es Eva Glawischnig zu viel. Die Gesundheit gehe vor, erklärte die 48-jährige Mutter zweier Kinder. Ein Satz, den jeder versteht, niemand anzweifelt und dennoch: er sagt nicht alles über die Gründe für den Rücktritt Glawischnigs aus.
Denn das, was die Grünen nun durchmachen, ist kein Einzelfall. Quer durch Europa haben die etablierten Parteien mit ihren Organisations- und Ablaufmodellen ein Problem. Während Sebastian Kurz die ÖVP nach seiner Auslegung eines Führerprinzips umbauen will, verzichten andere politische Akteure wie der neue französische Präsident Emmanuel Macron oder auch der niederländische rechtspopulist Geert Wilders gleich auf eine Parteistruktur. Demokratische Legitimation bei Wahlen? Ja. Innerparteiliche Demokratie: Bitte nicht.
Bei den Grünen schlug das Pendel freilich in die Gegenrichtung aus. Glawischnig war, über Wahlerfolge in den letzten Jahren gestärkt, als Parteichefin weitgehend unumstritten. In ihrer Abschieds-Pressekonferenz referierte sie ein Wahlplus nach dem nächsten herunter, reklamierte die Wahl Alexander Van der Bellens als Bundespräsident auch weitgehend als ihren Erfolg.
Nächster Rücktritt: Grünen-Chefin Glawischnig geht
Entsprechend nahm sie sich auch Rechte heraus, die der DNA ihrer Partei fremd waren - was prompt zu einem Krach mit den Jungen Grünen führte, der in deren Ausschluss gipfelte. Dass sie in Zeiten von Schwarmintelligenz und Liquid Democracy meinte, alleine die Richtung vorgeben zu können, kam bei der Basis nicht mehr an. Gleichzeitig belagern Silberrücken wie Peter Pilz oder Harald Walser die besten Plätze im Parlament. Die Erneuerung der Partei? Eine leere Floskel. Die selbstauferlegte Quoten-Regelung für junge Abgeordnete ignorierte man schon im Moment ihres Beschlusses. Da brachte es auch nichts, den populistischen Europa-Abgeordneten Michel Reimon enger in den Tagesbetrieb der Innenpolitik zu binden. Die aktuell - neben Heinz Christian Stache - längstdienende Klubobfrau im Parlament hat erkannt, dass die Zeit nicht mehr die ihre ist und rechtzeitig die Schlüsse gezogen.
Dass es die mögliche neue Grünen-Chefin Ingrid Felipe nicht viel leichter haben wird, ist klar. Von Tirol aus werden Zurufe im Bund nicht ernst genommen. Zudem droht - und das kann man schon jetzt sagen - ein Stimmenverlust bei den Wahlen. Noch schwieriger freilich würde es für einen Mann an der Spitze der Grünen werden. Die Tonlage von Christian Kern, Sebastian Kurz und Heinz Christian Strache zu imitieren, würde als peinliche Parodie wahrgenommen werden. Mit einem sachlichen Tonfall hätte es ein grüner Mann in Wahldebatten aber noch ungleich schwerer.
Glawischnig-Rücktritt: Strache würdigt Person und kritisiert Grüne
In der Wirtschaft erklärt man die Krise oft zur Chance. Bei den Grünen ist die Krise nun einfach eine Krise. Von Chance noch keine Spur. Denn die Erkenntnis, die Glawischnig über den Zustand ihrer Partei hatte, teilen dort noch wenige.