Kurz vor der Präsidentenwahl in Frankreich ist der parteiunabhängige Kandidat Emmanuel Macron nach Angaben seines Wahlkampfteams Opfer eines massiven Hackerangriffs geworden. Ziel der Attacke sei es gewesen, Macron zu diskreditieren, teilte sein Team am späten Freitagabend mit.
Frankreichs Staatschef Francois Hollande hat nach der Veröffentlichung interner Daten des Wahlkampfteams von Präsidentschaftskandidat Macron Konsequenzen angedroht. "Wir wussten, dass es diese Gefahren während des Präsidentschaftswahlkampfs geben würde, weil das anderswo passiert war", sagte Hollande am Samstag der französischen Nachrichtenagentur AFP. "Nichts wird ohne Antwort bleiben."
Es seien echte Dokumente gestohlen und zusammen mit fingierten online gestellt worden, um Falschinformationen über den Bewerber zu streuen. Dabei handle es sich um einen ernst zu nehmenden Vorfall, der nicht toleriert werden könne, da er die Demokratie beschädige.
Die Information über das Datenleck kam für beide Kandidaten zu einem ungünstigen Zeitpunkt: 24 Stunden vor Beginn der Wahl in Frankreich ist es den Kandidaten nicht mehr erlaubt, sich zum Wahlkampf zu äußern. Weder kann Macron also erläutern, welche Daten konkret entwendet bzw. allenfalls manipuliert wurden, noch kann Le Pen daraus Profit schlagen.
Fake News über Macron 500.000 mal geteilt
Nachdem die Manipulationen in Zusammenhang mit der US-Präsidentenwahl bekannt geworden waren, wuchs die Sorge in Frankreich, vor allem aber auch in Deutschland davor, dass es ähmliche Einflussnahmen auch auf die bevorstehenden Urnengänge in Europa geben könnte.
Seit Jahresbeginn wurden auch in Frankreich Falschinformationen in bisher nicht gekanntem Ausmaß in die Welt gesetzt und verbreitet, um einzelne Kandidaten schlecht zu machen. Mit Abstand am öftesten wurde laut "Le Monde" Makron Opfer dieser Gerüchte: Seit Anfang Jänner seien Fake News über ihn auf Facebook mehr als 500.000 mal geteilt worden. Unter anderem: Macron habe seinerzeit als Wirtschaftsminister Geld veruntreut, er wolle das Kindergeld abschaffen. Und: Er wasche sich immer die Hände, nachdem er Arbeitern die Hand gegeben habe.
Favorit in der Stichwahl
Macron geht am Sonntag als Favorit in die Stichwahl gegen die rechtsextreme Marine Le Pen. Am Freitag, dem letzten Tag eines turbulenten Wahlkampfes, lag der Sozialliberale in mehreren Umfragen 24 Prozentpunkte vor der Kandidatin des Front National. Die Abstimmung ist eine der wichtigsten in Frankreich seit Jahrzehnten. Die Franzosen müssen sich entscheiden zwischen einem pro-europäischen früheren Investmentbanker, der staatliche Regulierung für Unternehmen beschneiden und zugleich Arbeitnehmerrechte schützen will, und einer EU-skeptischen Rechtsextremen, die raus aus der Eurozone und strikte Begrenzungen für Einwanderer will.
Laut früheren Informationen einer IT-Sicherheitsfirma hatten Kriminelle der Gruppe "Pawn Storm" in den vergangenen Wochen versucht, in das Netz der Wahlkämpfer einzudringen. Macrons Mitarbeiter sollten über gefälschte Mails dazu verleitet werden, Schadsoftware auf ihre Computer zu laden sowie Logins und Passwörter zu verraten. "Pawn Storm" ist eine der ältesten Cyberspionagegruppen. Experten bringen die Gruppe, die auch unter den Namen "Fancy Bear", "Apt 28" und "Strontium" bekannt ist, mit dem russischen Militärgeheimdienst GRU in Verbindung.
Offizieller Wahlkampf ist beendet
Die im Internet veröffentlichten Daten Daten im Umfang von etwa 9 Gigabyte wurden am späten Freitagabend online gestellt, darunter hunderte Emails. Ein User, der sich EMLEAKS nannte, hatte die Daten auf der Internetseite Pastebin veröffentlicht, wo anonym gepostet werden kann. Wer dahinter steckt war zunächst nicht bekannt.
Das Innenministerium in Paris erklärte, es werde den Vorfall nicht kommentieren. Der offizielle Wahlkampf sei schon beendet, hieß es.
Daten von Mitarbeitern Macrons wurden nach Angaben seines Wahlkampfteams schon vor einigen Wochen bei einem Hacker-Angriff entwendet. Die näheren Umstände blieben in der Mitteilung von Macrons politischer Bewegung "En Marche!" aus der Nacht zum Samstag offen.
"En Marche!" hatte bereits Ende April unter Berufung auf die IT-Sicherheitsfirma Trend Micro berichtet, Macrons Präsidentschaftswahlkampagne sei Ziel der Hackergruppe "Pawn Storm" geworden.
Macrons Einstellung zu Russland gilt als äußerst kritisch. "En Marche!" beschuldigte Moskau zuletzt, über Medien wie RT in den französischen Wahlkampf einzugreifen - der Sender ist bekannt dafür, staatliche Propaganda zu verbreiten. Unterstützt werden diese Äußerungen von Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault. Macron, der ein sehr europäisches Programm vertrete, sei Ziel von Cyberangriffen aus Russland, sagte der Sozialist in einem Interview.
Sicherheitsexperte Feike Hacquebord sagte im April, mit einer ähnlichen Technik wie bei Macrons Team hätten sich Hacker bereits in die Computer der unterlegenen US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und der deutschen Christdemokraten (CDU) eingeschlichen. Ein Sprecher der französischen Sicherheitsbehörde Anssi bestätigte damals den Angriff auf Macrons Mitarbeiter.
Die französische Regierung hatte wiederholt vor einer russischen Einmischung in den Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich gewarnt. Sie verdächtigte Moskau, die Wahl zugunsten der Rechtspopulistin Marine Le Pen beeinflussen zu wollen, die als russlandfreundlich gilt.