In Österreich ist das Gesetz für eine 30-Prozent-Frauenquote in den Aufsichtsräten erst in Ausarbeitung, in Deutschland haben Sie es schon seit gut einem Jahr. Sie persönlich haben zehn Jahre dafür gekämpft. Zeit, auszuruhen?
Monika SCHULZ-STRELOW: Die Entwicklung ist noch nicht so gefestigt, dass die Veränderungen wirklich greifen. Es geht um gerechte Teilhabe in den Gremien – und da geht es ja nicht nur um den Aufsichtsrat. Aus Studien wissen wir: Wenn 30 Prozent einer Minderheit in einer Gruppe sind, wird diese Minderheit als normal betrachtet. Ist der Anteil geringer, sind das so Ausreißer, durch die sich noch nichts verändert. Wir haben einen großen Schritt gemacht in Bezug auf die Wahrnehmung, dass Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Aber die 30 Prozent haben wir noch nicht geschafft.
Weil es ohne Quoten nicht geht?
SCHULZ-STRELOW: Unser Problem ist: Die Protagonisten des Uralt-Frauenbildes werden auch von vielen Frauen gewählt. Und Frauen, die in Führungspositionen kommen, sagen oft: „Ich bin gegen die Quote und habe alles aus eigener Kraft geschafft.“ Kein Mann würde so etwas je sagen! Die Quote ist für mich aber nur ein Wegbeschleuniger, nicht mehr.
In Norwegen gibt es seit 2008 die Quote für Frauen, aber kein einziges der 60 größten Unternehmen Norwegens wird von einer Frau geleitet: Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?
SCHULZ-STRELOW: Das haben wir in ähnlicher Form auch in Deutschland. Wir haben in den Aufsichtsräten der 160 DAX-Unternehmen, die FidAR seit 2010 untersucht, einen Frauenanteil von gut 25 Prozent. Bei den Vorständen stagniert es bei sechs Prozent. Es kommen nicht automatisch mehr Frauen in die Vorstände, wenn mehr Frauen in den Aufsichtsräten sitzen. Frauen sollten, wenn möglich, auch in die Ausschüsse, in den Personalausschuss zum Beispiel, weil da die Vorschläge gemacht werden für neue Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglieder.
Wie passt Schweden in dieses Bild? Schweden hat keine Quote, aber sehr viele Frauen in Führungspositionen.
SCHULZ-STRELOW: Schweden hat einen anderen Ansatz: Schweden hat in den Aufsichtsräten um die 25 Prozent Frauen. Immer, wenn das abrutscht, wird wieder mit der Quote gewunken, das reicht dann schon, dann steigt der Anteil wieder an. Was aber vor allem wichtig ist: In Schweden und in Finnland ist die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau im wirtschaftlichen Umfeld viel normaler. In Schweden oder auch in Finnland ist es für Frauen auch total selbstverständlich, finanziell unabhängig zu sein. Bei uns ist das anders, vor allem im Zusammenhang mit der Familienplanung. Viele Frauen verlassen sich immer noch auf den Mann.
Es gibt immer wieder Forderungen, dass es auch eine Quote für die Geschäftsführung, für den Vorstand, geben müsste. Das haben wir von Ihnen nicht gehört. Warum nicht?
SCHULZ-STRELOW: Das ist nicht unser Anliegen. Für uns geht es auch darum: Was können wir fordern, um die Unternehmen an unserer Seite nicht zu verlieren? Denn ohne die geht es nicht. Wenn wir ins operative Geschehen hineingehen, in die Vorstandsebene, wird der Widerstand noch weit größer. Dass es uns gelungen ist, 2015 die 30 Prozent-Quote für Aufsichtsräte zu schaffen, war schon ganz gut.
Der österreichische Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, ist gegen jede Quote, auch im Aufsichtsrat. Er selbst habe für die Geschäftsführung gar keine Frau gefunden, für die eine Frau im Aufsichtsrat habe er ein dreiviertel Jahr lang gesucht. Er plädiert für Frauenförderpläne statt Quote. Ein Ansatz?
SCHULZ-STRELOW: „Wir finden keine Frauen“, das kennen wir! Aber dann bitten wir, auch anders zu suchen, viele suchen ja nur in ihrem bestehenden Netzwerk.
Also unter Männern?
SCHULZ-STRELOW: Ja, wenn man weiß, der oder der hat Ähnliches studiert, er spielt auch Golf, man versteht sich, dann ist ja alles wunderbar! Aber es geht auch darum, einmal in anderen Kreisen zu suchen, sich auch außerhalb der Dax-Konzerne und börsennotierten Unternehmen umzusehen, und auch die Frauen zu sehen, die in großen Familienunternehmen sitzen, in Stiftungen, im Wissenschaftsbereich. Es liegt aber auch an uns Frauen, sichtbar zu werden.
Helfen Frauenförderpläne?
SCHULZ-STRELOW: Eingeschränkt. Es gab eine interessante Untersuchung von McKinsey, „Women matters“, und da haben sie festgestellt, dass Frauenförderpläne, die viel Geld verschlingen, um zu beruhigen, nicht wirken, wenn der CEO nicht selbst fördert, und wenn Diversity oder Frauenförderung nicht wirklich Teil der Unternehmenskultur sind. Frauen werden gefördert, Männer werden befördert, das kann nicht sein. Wenn auch Frauen befördert werden, soll mir jeder Plan recht sein. Wenn ich als Frau in der dritten Managementebene sehe, dass in den Ebenen ober mir nur Männer stehen, auch als Planvorgabe, würde ich mir aber überlegen, ob ich in dem Unternehmen auf Dauer bleiben will.
Viele Frauen wechseln dann in eine andere Firma, oder sie flüchten sich in die Schwangerschaft, nicht wahr?
SCHULZ-STRELOW: Ja, das ist die Phase eins. Aber ich finde schwieriger die Phase zwei, das ist, wenn die Frauen so Anfang 50 sind und sich sagen: Ich ertrage den Konzern nicht mehr! Dann sagen viele: Ich kündige und werde Beraterin. Bevor man das macht, muss man sich vor Augen führen: Man ist dann ein No-Name, man ist im Feld der 100.000 Coaches und Trainerinnen. Ich empfehle: Nehmt den Namen des Unternehmens, denn der ist viel wert, und geht damit zum Personalberater und sagt: Ich möchte mich noch einmal verändern. Denn es ist leichter, etwas Gutes zu finden, wenn es heißt: Inge Müller von Coca Cola, als Inge Müller, Coach in der Anfangsphase.
Was antworten Sie Männern, wenn sie in einer Ausschreibung lesen: „Frauen bevorzugt.“ Warum soll ein Mann bei gleicher Qualifikation diskriminiert werden?
SCHULZ-STRELOW: 100 Jahre lang war es ganz einfach, Frauen zu diskriminieren, weil man sie einfach nicht nach oben gelassen hat. Jetzt haben wir eine neue Form von Wettbewerb. Jetzt bewerben sich Menschen um Positionen, mit gleicher Qualifikation. Dass für eine bestimmte Zeit Frauen der Vorzug gegeben wird, finde ich völlig legitim, denn in Deutschland steht es in den Vorstandsebenen immer noch 94 zu 6 Prozent – gegen die Frauen. Und in der zweiten und dritten Managementebene steht es 75 zu 25 – gegen die Frauen.
Führen Frauen anders?
SCHULZ-STRELOW: Nicht automatisch. Auch Frauen sind nicht davor gefeit, Männer besser zu entlohnen, weil deren Verhalten schlicht fordernder ist. Selbst Firmenchefinnen, die das überhaupt nicht wollen, tappen immer wieder in diese Falle.
Wie wirkt es sich auf Unternehmen aus, wenn es mehr Frauen in Führungspositionen gibt?
SCHULZ-STRELOW: Es gibt von der Börse Hannover einen Gender-Index: Man hat da gesehen, dass die Unternehmen mit mehr Frauen in Führungspositionen erfolgreicher sind. Die Kommunikationskultur wird besser, auch die Förderung von Diversität im breiteren Sinne. Und es fördert die neuen Arbeitsformen wie Teilzeit, Job-Sharing. All diese Bereiche werden in Firmen für Frauen wie für Männer besser, wenn es mehr Frauen in Führungspositionen gibt.