Die jüngste Datenaffäre bei Facebook zieht weitere Kreise. Die britische Datenschutzbehörde (ICO) gab am Dienstag bekannt, gegen den US-Konzern zu ermitteln. Es gehe u.a. darum, ob Facebook nach dem Verlust der Daten entschlossen gehandelt und rechtzeitig informiert hat. Parlamentarier in den USA wie auch Großbritannien wollen Konzernchef Mark Zuckerberg zu Anhörungen vorladen.
Damian Collins, Vorsitzender des britischen Ausschusses für Digitales und Medien, schrieb dem Gründer des Sozialnetzwerks, das Gremium wolle dessen eigene Darstellung zu dem "katastrophalen Vorgang des Versagens" hören. Der Ausschuss habe den Internetriesen mehrmals aufgefordert darzulegen, wie Nutzerdaten gesammelt und gespeichert würden, insbesondere wenn dies ohne Einverständnis der Nutzer geschehe. "Ihre offiziellen Antworten haben das Risiko stets unterschätzt und waren irreführend", schrieb Collins.
Im Visier der Behörden ist auch die Datenanalysefirma Cambridge Analytica, die sich mutmaßlich ohne Erlaubnis Zugriff auf 50 Mio. Facebook-Accounts verschafft hat. Man ersuche um einen Durchsuchungsbefehl gegen Cambridge Analytica, sagte ICO-Chefin Elizabeth Denham. Das Unternehmen, das US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf 2016 unterstützte, soll mit Hilfe von personalisierter Facebook-Werbung Wahlentscheidungen beeinflusst haben.
Europäische wie auch US-amerikanische Abgeordnete verlangten von der Beratungsfirma eine umgehende Erklärung. In den USA forderte unter anderem Senator John Kennedy Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf, dem Kongress zu den Aktivitäten seines Konzerns Frage und Antwort zu stehen. Das weltgrößte Internetnetzwerk gab bekannt, Prüfer der Firma Stroz Friedberg engagiert zu haben. Diese sollen untersuchen, ob Cambridge Analytica weiterhin im Besitz der Daten ist. Am Montag seien sie in deren Londoner Büro gewesen. Nach Informationen des britischen Fernsehsenders Channel 4 haben sich Manager von Cambridge Analytica damit gebrüstet, weltweit Wahlen mit Hilfe von digitaler Manipulation und politischen Täuschungen beeinflussen zu können.
Laut einem Bericht der britischen Zeitung "The Observer" soll Facebook schon Ende 2015 von dem massiven Datenmissbrauch erfahren haben. Das Unternehmen habe damals die Nutzer nicht informiert und wenig unternommen, den Datenmissbrauch zu stoppen.
Der aktuelle Facebook-Skandal rief auch die EU-Behörden auf den Plan. Er wurde auf die Tagesordnung eines für Dienstag geplanten Treffens der Datenschutzbeauftragten der Mitgliedstaaten gesetzt. Justizkommissarin Vera Jourova wollte die Affäre zudem am Dienstag bei einem Besuch in Washington zur Sprache bringen. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani kündigte eine umfassende Untersuchung dieses "inakzeptablen Verstoßes" gegen die Datenschutzrechte an.
Facebook kämpft seit einiger Zeit mit Gegenwind. Wegen mutmaßlicher russischer Beeinflussung des US-Wahlkampfs via Facebook geriet der Internetkonzern bereits in die Kritik. Daraufhin startete das Netzwerk eine Transparenzoffensive und änderte diverse Abläufe. Die jüngsten Probleme sorgten am Montag für einen Ausverkauf an der Börse. Die Facebook-Aktie fiel fast sieben Prozent und verlor damit nahezu 40 Milliarden Dollar an Marktwert. Jetzt falle ein Licht auf die Datenschutz-Praktiken bei Facebook und das Bild, das sich offenbare, sei nicht schön, sagte Justizprofessor Frank Pasquale von der Universität von Maryland. Sorgen vor einer schärferen Regulierung ließen die Papiere von Twitter, der Google-Mutter Alphabet und Snap nachgeben. Auch im vorbörslichen Geschäft am Dienstag ging es für die Facebook-Aktie nach unten. Anleger befürchten, schärfere Vorgaben könnten dazu führen, dass Nutzer weniger Zeit auf den jeweiligen Plattformen verbringen und diese dadurch geringere Werbeeinnahmen haben.
Insidern zufolge muss sich Facebook inmitten der Datenschutz-Probleme nun auch einen neuen Sicherheitschef suchen. Alex Stamos will den Konzern wegen Unstimmigkeiten im Umgang mit der mutmaßlichen russischen Desinformationskampagne verlassen, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person Reuters. Die "New York Times" hatte zuerst darüber berichtet. Facebook wollte sich dazu nicht äußern.