Frankfurter Allgemeine:
"Seit Kurz handstreichartig (...) die ÖVP übernommen hat, hat er seine Partei völlig umgekrempelt und auf sich eingeschworen. Die Veränderung reicht viel weiter als das Umfärben von schwarz auf türkis und das Umetikettieren von ÖVP auf seinen Namen. Die eigentliche Revolution bestand in der Umgestaltung der alten (...) und von Regionalfürsten und Interessengruppen gegängelten ÖVP, die sich seit der Abwahl Wolfgang Schüssels vor zehn Jahren in stetigem Niedergang zu befinden schien, in eine straff geführte Politikmaschine. (...) Hinzu kommt die Anmutung einer jungen, unverbrauchten politischen Kraft. So konnte es Kurz gelingen, mit Parolen zu reüssieren wie 'Ein neuer Stil' oder 'Jetzt oder nie' - eigentlich ziemlich unverfroren für den Vorsitzenden einer Partei, die seit dreißig Jahren ununterbrochen regiert."
Frankfurter Rundschau:
Als in Wien das bislang letzte Mal eine schwarz-blaue Koalition aus ÖVP und FPÖ gebildet wurde, hat es das Land in eine tiefe Krise geführt. Mit dem Erbe beschäftigen sich noch heute Gerichte und Untersuchungsausschüsse. Die blaue Regierungsbeteiligung 2000 mündete vor allem aber in EU-Sanktionen, um Jörg Haider zu stoppen. Die EU hat von der Lex Haider gelernt. Die Toleranzgrenze in der demokratischen Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten hat sich verschoben und zielt nur noch auf konkrete Gesetze, die die Grundwerte der EU verletzen. Dies dürfte von der FPÖ des Jahres 2017 eher nicht zu erwarten sein. Ein lange befürwortetes Referendum über den EU-Austritt steht nicht mehr auf der Wunschliste. Auf die EU dürfte es dennoch Auswirkungen haben. Angeschoben von Emmanuel Macron und Angela Merkel sucht man schließlich nach einem Neuanfang für die Union. Kurz steht den Planspielen kritisch gegenüber, Strache noch mehr. Eine blinde Gefolgschaft wie in der Flüchtlingskrise kann Berlin vom neuen Wien nicht mehr erwarten.
Süddeutsche Zeitung (München):
"Österreich ist noch weiter nach rechts gerückt. Der Anti-Ausländer-Wahlkampf, der sich gegen Flüchtlinge und EU-Bürger richtete, schlägt sich im Wahlergebnis nieder. (...) Weil sich Kurz zum 'Kopierbub', wie Heinz-Christian Strache ihn tituliert hat, entwickelt hat, rückte die FPÖ vor allem in der Schlussphase des Wahlkampfes noch ein Stückchen weiter rechts. Mit seiner Warnung vor Islamismus zog er durch das Land. Österreich hat gezeigt: Es geht immer noch ein bisschen rechter. (...) Das vermeintliche Zurückdrängen der rechten Stimmung im Land durch das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl, die im Dezember der grüne Kandidat Alexander Van der Bellen gegen den FPÖ-Politiker Norbert Hofer gewonnen hat, war ein Pyrrhussieg. Es zeigt sich: es gibt kein nachhaltiges Gegengift gegen den Rechtspopulismus.
Tageszeitung (taz) (Berlin):
"Die immer gleichen Stehsätze, die er (ÖVP-Chef Sebastian Kurz, Anm.) im Wahlkampf abspulte - Zuwanderung ins Sozialsystem stoppen, Mittelmeerroute schließen -, dürften aber viele potenzielle Wählerinnen und Wähler gelangweilt und genervt haben. Dennoch haben diese Wahlen die österreichische Politlandschaft zutiefst verändert. Die strukturelle rechte Mehrheit ist deutlicher geworden. (...) FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat so viel Kreide gefressen, dass viele nicht mehr wahrnehmen, wie viele Rechtsextreme sich in der zweiten und dritten Reihe tummeln. Für die Sozialdemokraten ist nach diesem Wahltag alles andere als die Opposition nicht denkbar."
HuffPost (München):
"Bei den Nationalratswahlen hat die SPÖ mit dem bisherigen Bundeskanzler Christian Kern den ersten Hochrechnungen zufolge nur rund 27 Prozent der Stimmen geholt, das reicht zwar für Platz zwei. Ihr schlechtes Ergebnis der letzten Wahl haben die Sozialdemokraten jedoch wohl kaum verbessert. Die Partei hatte sich im Wahlkampf von den rechten Konkurrenten der ÖVP und der FPÖ die Themen diktieren lassen, das eigene Profil vernachlässigt und sich auf einen Kampf mit unsauberen Methoden eingelassen. Nun bekommt Kern die Quittung: Der einst so smarte Polit-Quereinsteiger hat sich und seine Partei in den Strudel des wütenden und irrationalen Polit-Diskurses geworfen - und ist abgesoffen. Großer Gewinner ist wie erwartet der bisherige Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Längst hat Kurz die Maske des Polit-Shootingstars abgeworfen. Er braucht nicht mehr 'geil' zu sagen, um junge Menschen für konservative Politik zu begeistern. Denn Österreich will nicht begeistert, sondern beschützt werden."
Tagesspiegel (Berlin):
"Wundern darf sich niemand. Bereits das Kopf-an-Kopf-Rennen der Bundespräsidentschaftswahl zwischen van der Bellen und dem Rechtspopulisten Hofer im vergangenen Jahr hat gezeigt, in welche Richtung das Land abdriftet. Und Kurz hat ganz genau zugeschaut. Seine Kampagne und sein Ergebnis sind beachtlich. Er hat im Stile Macrons die festgefahrene ÖVP in eine dynamische Bewegung umstrukturiert: Weg von den traditionellen Pfaden der Christdemokratie, hin zum rechten Rand, der in Österreich immer mehr zur politischen Mitte wird. Die vermeintliche Gefahr des Islams, die Sicherung der eigenen Landesgrenzen und des Sozialsystems sowie der Erhalt der österreichischen Identität - die Positionen von Kurz und der rechtspopulistischen FPÖ unterscheiden sich meist nur im Detail. Eine Koalition der beiden, die nun als sehr wahrscheinlich gilt, würde aus diesen Wahlversprechen Politik machen. Aalglatter Populismus - zum Leid Europas."
La Repubblica (Rom):
"Österreich wendet das Blatt und bereitet sich darauf vor, die Machtverhältnisse in Europa auf den Kopf zu stellen. (...) Nachdem es ganz Europa 2016 in Atem gehalten hat, als die populistische Rechte knapp den Sieg bei der Präsidentschaftswahl verfehlt hatte, hat Österreich erneut die Aufmerksamkeit des ganzen Kontinents auf sich gelenkt. Die Rechten von Heinz-Christian Strache wollen in die neue Regierung einsteigen. Sie will Brüssel den Rücken kehren, um sich mit Budapest zu verbünden und die Macht des Visegrad-Quartetts zu steigern, die sich gegen eine gemeinsame EU-Flüchtlingspolitik stemmen".
Neue Zürcher Zeitung:
"Demokratiepolitisch ist diese Zuspitzung auf Persönlichkeiten in Österreich problematisch. Sie zeugt von der Sehnsucht nach dem grossen Befreiungsschlag, dem auch Sympathien für einen autoritäreren Politikstil innewohnen. Dies Kurz zum Vorwurf zu machen, wäre unfair. Und doch hat er nicht gezögert, daraus politisches Kapital zu schlagen. (...) Viele von Kurz' Ideen - eine effizientere Verwaltung, Steuerentlastungen und mehr Mitsprache des Volks - sind richtig. Sie sind allerdings meist nicht neu. Gehapert hat es stets an der Implementierung. (...) Die auf Kurz gesetzten Hoffnungen sind jedenfalls ähnlich gross wie das Potenzial für Enttäuschungen."
Daily Mail (London):
"Ein 31-jähriger österreichischer Politiker wird laut Hochrechnungen der weltweit jüngste Regierungschef, nachdem er versprach, alle Begünstigungen für Ausländer zu beschränken. Der Konservative, Sebastian Kurz, 31, ist drauf und dran, die Macht zu übernehmen und eine Koalition mit Rechtsaußen einzugehen. Neben seinem Versprechen zu den Kürzungen für Migranten will er die österreichische Bürokratie drastisch abbauen und die EU aus der nationalen Politik fernhalten. Das würde neue Kopfschmerzen für Brüssel bedeuten, während es sich noch mit dem Brexit, dem steigenden Nationalismus in Deutschland, Polen, Ungarn und anderswo quält."
Guardian (London):
Die österreichische Politik ist dabei, nach rechts zu kippen, weniger als ein Jahr, nachdem der Rechtsaußen-Präsident der Freiheitlichen Partei verhindert wurde. Die Partei geht nun als Königsmacher aus den Wahlen vom Sonntag hervor. Obwohl sie derzeit noch um den zweiten Platz hinter dem 31-jährigen Sebastian Kurz der ÖVP kämpft, hat sie es geschafft, großteils die Themen für den Wahlkampf - Migration und Angst vor dem radikalen Islam - zu diktieren, und profitiert vom 'Dirty Campaigning' aus den Reihen der traditionellen Parteien."