Im Vorfeld des G20-Gipfels in Hamburg mehren sich die kritischen Stimmen. Erste Demonstrationen mit mehr als 20.000 Teilnehmern haben schon stattgefunden, weiter sollen folgen. Im Millerntor-Stadion haben Aktivisten ein Alternatives Medien-Zentrum errichtet, um eine Gegenöffentlichkeit zum G20-Treffen zu erzeugen.

Drei Großdemonstrationen sind angemeldet: "Grenzenlose Solidarität stat G20", "Hamburg zeigt Haltung" (hier versammeln sich Gipfelkritiker aus Kirchen udn Moscheeveräbnden, Kultur, Sport und der Politik, nicht zuletzt der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust) und "Welcome to hell". Letztere macht den Auftakt, am Donnerstag, dem Tag vor dem Gipfel.

Protest gespalten

Es wird mit Gewaltakten gerechnet, aber viele Demonstranten wollen für Inhalte auf die Straße gehen, für die die weltoffene Stadt Hamburg steht: Meinungs- und Pressefreiheit, eine pluralistische Gesellschaft, "Haltung" eben. Wobei die Demonstranten naturgemäß auch in sich gespalten sind. Der linke Hamburger Bundestagsabgeordnete Jan van Aken erhob gegenüber dem TV-Sender NDR den Vorwurf, die Initiative "Hamburg zeigt Haltung" sei von der Politik geradezu initiiert worden, um den Protest zu spalten. Van Aken ist Anmelder der Großdemonstration "Grenzenlose Solidarität statt G20" - er rechnet mit 50.000 bis 100.000 Teilnehmern.

Sperrgebiet

Umgekehrt sind seit Monaten tausende Polizisten im Einsatz und proben den Ernstfall in Hamburg. Das ganze Stadtviertel wird abgeriegelt - 38 Quadratkilometer groß ist das Sperrgebiet. Es gibt Einsatzpläne für jeden denkmöglichen Zwischenfall.

Während die Polizei alles daran setzen wird, eine direkte Begegnung von Demonstranten und Gipfelteilnehmern zu verhindern, setzt der Protest alles daran sichtbar zu werden. Etwa, indem man sich Donald Trump oder Vertretern Saudi-Arabiens regelrecht in den Weg stellt. Im Wissen darum, dass es dadurch auch zu gewalttätigen Szenen kommen kann. Das Amtsgericht Hamburg hat eine Außenstelle in Betrieb genommen - in dem Container-Gerichtsgebäude sollen mehr als 130 Richter rund um die Uhr über Haftbefehle und "Ingewahrsamnahmen" entscheiden. Der Containerblock liegt unmittelbar neben der Gefangenensammelstelle der Polizei.

Hartes Durchgreifen erwartet

Die deutsche Bundesregierung hat gewalttätigen Gegnern des G20-Gipfels mit einem harten Durchgreifen der Sicherheitskräfte gedroht. "Die Linie ist klar: friedlicher Protest ja, gewalttätiger Protest nein", sagte Innenminister Thomas des Maiziere am Sonntag. Gewalt, egal von wem, müsse von Anfang an im Keim erstickt werden. 

Nach Prügelattacken von Leibwächtern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf Demonstranten in Washington stellte die Hamburger Polizei aber auch klar, in solchen Fällen während des Gipfels hart durchgreifen zu wollen.

Warnung vor Sabotage

Das Bundeskriminalamt (BKA) warnte einem Zeitungsbericht zufolge vor schweren Brandstiftungen und Sabotageakten gegen die Infrastruktur durch Gegner des G-20-Gipfels. Die Hamburger Polizei rechnet dem Bericht zufolge damit, dass die Stromversorgung lahmgelegt werden könnte. Funkmasten könnten zerstört und Ampeln manipuliert werden. Vertreter des Protests wiederum warfen den Behörden vor, in ihren Gewalterwartungen maßlos zu übertreiben.

Erstes Treffen von Putin mit Trump

20 Vertreter von Industrie- und Schwellenländer treffen einander am 7. und am 8. Juli in Hamburg. Donald Trump und Vladimir Putin werden in Hamburg zum ersten Mal direkt aufeinandertreffen, und Putin kündigte gestern an, die Gelegenheit auch für  ein Treffen mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nützen zu wollen, um über die Ukraine zu reden.

"Illegitime Zusammenkunft einiger Mächtiger"

Zu radikalen Worten fand im Vorfeld Jean Ziegler, Soziologe, ehemaliger UN-Diplomat und Globalisierungskritiker, im Interview mit tagesschau.de. Er iwrft den G20 vor, bisher politisch nichts erreicht zu haben. Die Runde sei eine "illegitime und illegale  Zusammenkunft" von  "einigen mächtigen Staatschefs, die 85 Prozent des Weltbruttosozialprodukts kontrollieren" hinter Stacheldrahtzaun. Sie fassten Beschlüsse, über deren Ausführung keine Kontrolle bestehe. Der Gipfel unterminiere die Demokratie.

Globalisierungskritiker Jean Ziegler: "G20 gehören abgeschafft"
Globalisierungskritiker Jean Ziegler: "G20 gehören abgeschafft" © AP

Stattdessen sollten die UNO gestärkt und Sofortmaßnahmen für die ärmsten Staaten der Welt beschlossen werden. Massive Kritik übt Ziegler am deutschen Finanzminister Woflgang Schäuble, der sich gegen eine Entschuldung dieser Länder stemme. Ziegler: "Das ist eine mörderische Aussage. Sie können Morgen früh Jesus Christus als Präsident von Mali oder Benin oder Senegal ernennen. Er wird kein einziges Kind retten können, weil die Auslandsschuld diese Länder erdrückt. Was Herr Schäuble sagt, ist eine Aussage, die eines deutschen Ministers nicht würdig ist."

Der Gruppe der G20 gehören folgende Länder an: USA, Volksrepublik China, Japan, Deutschland, Frankreich, Brasilien, Großbritannien, Italien, Russland, Kanada, Indien, Australien, Mexiko, Südkorea, Indonesien, Türkei, Saudi-Arabien, Argentinien, Südafrika und, als Verband, die EU.