Die Vereinten Nationen werfen der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) sowie dem syrischen Regime Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Die IS-Miliz führe im Norden Syriens mit Amputationen, öffentlichen Hinrichtungen und Auspeitschungen eine Kampagne der Abschreckung, hieß es in dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht der UN-Ermittler zur Lage in dem Bürgerkriegsland.
Kinder ab zehn Jahren rekrutiert
Selbst Kinder seien dabei gewesen, als Menschen enthauptet oder aus kurzer Distanz mit Kopfschüssen getötet worden seien. Die Leichen würden öffentlich zur Schau gestellt. Teenager müssten sich an Kämpfen und Selbstmordanschlägen beteiligen, heißt es weiter. Rekrutiert und trainiert werden demnach Kinder ab zehn Jahren.
Den Regierungstruppen wiederum wurde in dem 45-seitigen Bericht zur Last gelegt, zivile Gebiete mit Fassbomben angegriffen zu haben und dabei teilweise chemische Waffen eingesetzt zu haben. Es gebe "ausreichende Gründe" für den Verdacht, dass bei Luftangriffen auf drei Dörfer im Norden des Landes "Chemikalien, wahrscheinlich Chlorgas" eingesetzt worden seien, erklärte die Untersuchungskommission. Konkret geht es demnach um insgesamt acht Vorfälle in den Dörfern Kaft Seita, al-Tamana und Tal Minnis.
Augenzeugen hätten beobachtet, dass aus Hubschraubern heraus Fassbomben abgeworfen worden seien, heißt es. Unmittelbar danach habe es in den betroffenen Dörfern nach Chlor gerochen. Die Opfer litten demnach unter Symptomen, die typisch für Chemiewaffenangriffe seien: Erbrechen, Reizungen von Augen und Haut, Erstickungssymptome und andere Atemwegsprobleme.
Hinweise auf systematische Folter
Zudem gebe es Hinweise auf systematische Folter in staatlichen Gefängnissen. Die Ermittler bekräftigten ihre Forderung an den UN-Sicherheitsrat, den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einzuschalten.
Syriens Präsident Bashar al-Assad versucht seit mehr als drei Jahren einen Aufstand gegen seine Herrschaft niederzuschlagen. Dabei kämpft er unter anderem auch gegen die IS-Miliz, der große Teile Syriens sowie des Nachbarlands Irak unter seine Kontrolle gebracht hat. Unter starkem internationalen Druck hatte die Regierung im Herbst 2013 eingewilligt, ihre chemischen Waffen zur Vernichtung außer Landes zu bringen. Es blieben jedoch Zweifel, ob Syrien tatsächlich sämtliche Chemiewaffen offengelegt hat. Zudem gab es immer wieder Vorwürfe, dass die Regierungstruppen weiterhin giftige Chemikalien wie Chlorgas einsetzen. Dieses hat ebenfalls eine toxische Wirkung, fällt aber nicht unter die Vereinbarung zur Vernichtung der Chemiewaffen.
Rebellen eroberten Grenzübergang
Im Westen des Landes nahmen Rebellen der Al-Nusra-Front und andere Aufständische nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrecht unterdessen den Grenzübergang Quneitra zu den von Israel besetzten Golanhöhen ein. Bei den Kämpfen wurden demnach mindestens 20 Soldaten und vier Rebellenkämpfer getötet. Die Gefechte in der Umgebung dauerten am Mittwochnachmittag weiter an.
Zuvor waren bereits mehrere Granaten aus Syrien auf dem Golan eingeschlagen und ein israelischer Soldat durch "fehlgeleitetes Feuer aus den innersyrischen Kämpfen" verletzt worden, wie ein israelischer Militärsprecher erklärte. Israel habe daraufhin das Feuer auf zwei Stützpunkte der syrischen Armee eröffnet.
Vor gut einem Jahr wurde der Stützpunkt Quneitra bereits einmal von syrischen Rebellen eingenommen, was damals in weiterer Folge zum Abzug der österreichischen Blauhelme von der UN-Beobachtungsmission am Golan führte. Quneitra liegt an der Waffenstillstandslinie von 1967, die den von Israel besetzten Teil der Golanhöhen vom syrisch kontrollierten Gebiet trennt. Israel hatte die Golanhöhen im Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzt, offiziell gehört das Gebiet weiter zu Syrien.