Sie ist als Trägermasse scheinbar unerlässlich: Wer auf Mystery-Serien setzt, kommt um „Twin Peaks“ einfach nicht herum. Das weiß auch Regisseur Baran bo Odar, der mit seiner Frau Jantje Friese gemeinsam die erste deutsche Netflix-Serie „Dark“ entwickelt hat. Nachdem Konkurrent Amazon Prime im Frühjahr mit „You Are Wanted“ die sechsteilige Thrillerserie ins Rennen geschickt hat, ist nun Netflix dran – seit heute steht „Dark“ auf der Streamingplattform bereit.


Ein bisschen „Twin Peaks“, ein bisschen „Stranger Things“, ein bisschen „Tatort“: Ein lauschiger Adventauftakt ist das nicht. Vielleicht ist der Dreh- und Angelpunkt der Serie ein Wort, das zwar sperrig ist, aber passgenau sitzt: Altlasten. In der deutschen Stadt Winden verschwindet der 15-jährige Erik Obendorf spurlos. Ganz unvermittelt kommt das nicht, vor allem, wenn man die ältere Generation befragt: „Es wird wieder passieren“, flüstert der ehemalige Polizeichef des Ortes im Altenheim vor sich hin. Denn 33 Jahre zuvor ist unter gleichen Umständen just der kleine Bruder des ermittelnden Polizeibeamten ebenfalls spurlos verschwunden.

Die dunklen, düsteren Bilder werden von einem Blick in die Vergangenheit erhellt: Winden war einst ein blühender Ort, er erstrahlte durch die große Zukunftshoffnung namens Atomkraft. Doch damit ist Schluss – der Meiler soll runtergefahren werden. Doch das ist nicht das einzige Problem des Ortes: „Es wird wieder passieren“ – das zweite Kind verschwindet spurlos und es gilt die alte Erkenntnis: Die Idylle ist immer trügerisch. Da wäre der junge Jonas Kahnwald, dessen Vater Selbstmord begangen hat, er verzweifelt an seiner Wut: „Weil er einfach so gegangen ist. Kein Wort, das die Scheiße erklärt.“


Der Zuseher ist in etwa der gleichen Ausgangsposition. Er bekommt Puzzlestücke serviert, muss sich den roten Faden zunächst selbst spinnen. Der Grundfaden: Die Schicksale von vier Familien sind miteinander seit vielen Jahren verbunden – Rückblenden führen in die 80er-Jahre. Und schon damals kam es zu seltsamen Phänomenen: tote Vögel, die vom Himmel fielen, eine tote Schafherde mit zerfetztem Trommelfell, flackernde Lichter. Was hat das alles mit einer mysteriösen Höhle im Wald zu tun? Und wer ist dieser Fremde mit dem schwarzen Koffer, der verdächtig nach 80er-Jahren aussieht – ein Vertreter der Atommafia oder gar ein Zeitreisender?


Es ist kein Zufall, dass das Intro der Serie einem Blick in ein Kaleidoskop gleicht: Wogende Baumwipfel, Taschenlampen in dunkler Nacht, Silhouetten im Gegenlicht, alles eingebettet in einen düsteren Titelsong der Steirerin Anja Plaschg alias „Soap&Skin“ (in Zusammenarbeit mit Apparat). Natürlich könnte man sagen: Alles schon da gewesen, vielleicht zu viel Anleihen bei bekannten Mystery-Serien, aber was, wenn man einfach nicht ausschalten kann? Dann klingt es wohl nach einer gelungenen Serie.