Frau Milborn, Puls 4 lädt ab morgen montags um 20.15 Uhr Österreichs Parteichefs bzw. Spitzenkandidaten zu sich in die Sendung, wo sie eine Stunde live mit Ihnen sprechen, und nennt das Format „Sommergespräche“. Sonderlich originell ist das nicht.
CORINNA MILBORN: Ja, aber es sind Gespräche und sie finden im Sommer statt. Daher haben wir uns gedacht, wir lassen uns nicht davon bremsen, dass wir nicht die Einzigen sind, die es so nennen. Der Titel soll auch den Stil des Gesprächs prägen – mit einer gewissen Entspannung nach Ende des Parlamentsalltages. Allerdings hat sich das durch die Neuwahl verschärft, denn geplant war die Sendung seit Februar.
Im ORF erfreuen sich die „Sommergespräche“ in den letzten Jahren stets großer Beliebtheit. Warum sollte sich das Publikum die erstmaligen „Sommergespräche“ bei Puls 4 auch ansehen?
CORINNA MILBORN: Nicht auch, sondern vorher! Denn wir starten vor dem ORF und enden eine Woche, ehe er beginnt – zufällig. Ansehen sollte man es sich, weil wir jetzt fünf sehr interessante Parteichefs haben und unsere Gespräche sollen genauer zeigen, welchen Führungsstil sie haben, welche Persönlichkeit sie mitbringen und was ihre ideologischen Grundsätze sind. Zudem sind unsere „Sommergespräche“ eine Mischung aus Interview und Publikumsfragen.
Werden im Publikum Claqueure bzw. Parteimitglieder und Fans zu sehen bzw. vor allem zu hören sein?
CORINNA MILBORN: Man kann sich bei uns online anmelden und die meisten machen das gleichzeitig mit ihrer mitgeschickten Frage an den Gast. Wir checken kurz, ob es Parteiangestellte sind, um zu verhindern, dass ausschließlich Anhänger von unserem Gast da sind. Ein paar Fans stören uns natürlich nicht.
Es gibt auf Puls 4 kein Sommergespräch mit einem Vertreter vom Team Stronach.
CORINNA MILBORN: Wir haben keinen eingeladen, weil wir uns das journalistisch und redaktionell aussuchen können. Frank Stronach hat zu unserem Termin keine Zeit und wir haben nicht das Gefühl, dass jemand aus der Partei für diese Wahl so richtig relevant sein wird. Sollte sich unsere Einschätzung aufgrund eines überraschenden Spitzenkandidaten noch ändern, werden wir versuchen ihn oder sie einzuladen.
Erwarten auch Sie den von vielen Experten prognostizierten schmutzigen und oberflächlichen Wahlkampf?
CORINNA MILBORN: Ich habe das Gefühl, dass es jetzt schon losgegangen ist und dass die Stimmung relativ aggressiv ist – vor allem online. Es werden so einzelne Halbsätze rausgezogen und von anderen Parteien skandalisiert wobei man sich wirklich fragt, wo ist der Skandal? Wir wollen dem etwas entgegensetzen und in die Tiefe gehen.
Was sagt Ihr Gefühl als Politinsider: Gibt es am 15. Oktober einen klaren Wahlsieger?
CORINNA MILBORN: Das ist aus jetziger Sicht schwer zu sagen und wohl auch am Tag vor der Wahl.
Puls 4, ATV und ORF planen bis zur Wahl um die 30 Fernsehkonfrontationen. Glauben Sie, dass das Publikumsinteresse ähnlich hoch bleiben wird wie im Rahmen der Bundespräsidentenwahl?
CORINNA MILBORN: Schon 2013 war das Interesse der Zuseher am Fernsehwahlkampf riesig. Aber die Frage stellen viele Journalisten, die sich häufig alles ansehen. Der Durchschnittswähler beschäftigt sich aber nicht jeden Tag mit Politik und da wächst das Interesse, je näher die Wahl rückt.
Sie haben Ende Mai den Robert-Hochner-Preis verliehen bekommen und haben in Ihrer Rede die „Tendenz, kritisches Nachfragen von Moderatoren als ungebührlich darzustellen“ angeprangert. Finden Sie nicht auch, dass dieser Kniff vieler Politiker immer besser funktioniert?
CORINNA MILBORN: Die Kritik darf nicht zur Pose werden. Es nervt das Publikum, dass man kritisch fragt, nur damit es kritisch ist. Kritische Fragen müssen Substanz haben und ihre Relevanz soll nachvollziehbar sein. Es geht zwischen Interviewer und Interviewtem nie um einen Schaukampf.
Der Medienbranche ist es schon besser gegangen. Ihre Tipps an junge Journalisten?
CORINNA MILBORN: Das Wichtigste ist, sich seiner eigenen Rolle bewusst zu sein, und wir jammern auf hohem Niveau: Man braucht nur nach Ungarn oder in die Türkei schauen. Dort halten die Kollegen auch durch, obwohl Ihnen für kritischen Journalismus Haft droht und viele im Gefängnis sitzen. Ich rate auch stets, mutig und unbeugsam zu bleiben sowie nicht alles zu tun, was von einem verlangt wird – da kommt kein guter Journalismus raus. Außerdem sollen die Kollegen die Schere im Kopf weglassen und nicht schon beim Stellen der Frage denken, wie werden die Reaktionen auf Facebook und Twitter sein.
Nachdem Sie im April von Felix Baumgartner beleidigt wurden, schlug er eine Einladung zu Ihnen zu „Pro & Contra“ aus und wollte Sie stattdessen zu „Talk im Hangar“ bei Servus TV lotsen. Wie sind Sie mit Ihm verblieben?
CORINNA MILBORN: Ich schlug „Talk im Hangar“ an einem neutralen Ort vor und eine gemeinsame Übertragung von Servus TV und Puls 4. Aber darauf ist Felix Baumgartner gar nicht mehr eingegangen, denn er wollte sich der Diskussion einfach gar nicht stellen. Letztendlich hat er mich auf einen Kuchen von seiner Mama zu sich in die Schweiz eingeladen – ohne Kameras. Seither ist nichts mehr gekommen und ich werde ein privates Treffen zwischen uns nicht arrangieren. .
Christoph Steiner