Kathrin Zechner bleibt die mächtigste Frau am Küniglberg. Die Fernsehdirektorin des ORF wurde am Donnerstag zur künftigen Programmdirektorin bestellt. Dass die Informationsagenden nicht mehr zu ihrem Portfolio gehören, wird sie verschmerzen, das hat sie schon zu Jahresbeginn durchblicken lassen. "Ich lebe und atme Programm in jeglicher Hinsicht", hat sie dabei ihre Passion beschrieben.
Auch die Unterhaltung allein, inklusive Film, Serie, Dokumentation und Reportage sei ein "sehr spannendes Feld", sagte die 53-Jährige heuer in einem Interview. Sicher spannend wird die Arbeit an ORFeins, für das Generaldirektor Alexander Wrabetz vor seiner Wiederwahl Priorität ausgerufen hat. Dafür wolle er auch Geld in die Hand nehmen, kündigte er im Sommer an und stellte zehn Millionen Euro zusätzlich in Aussicht.
Zechner selbst hat für ORFeins, das vor allem im Vorabend Problemzone ist, bereits laut über eine Soap, aber auch über ein männliches Pendant zu den höchst erfolgreichen "Vorstadtweibern" sowie über Comedy-Formate nachgedacht. Österreichischer und auch regionaler Content soll einen größeren Stellenwert erhalten. Womit Zechner auch schon in den vergangenen Jahren punkten konnte: Neben den "Vorstadtweibern" seien hier etwa die "Landkrimis" erwähnt.
Unverwechselbarkeit durch Eigenproduktionen ist Zechners Programm fürs ORF-Programm, und das setzt sie, wenn es sein muss, auch hartnäckig und gegen Widerstände um. Wie etwa die nicht unumstrittene Entscheidung, Conchita Wurst zum Song Contest zu schicken - die nach ihrem Sieg wohl niemand mehr kritisiert hätte.
Doch Zechner weiß auch, dass Schwierigkeiten und Misserfolge in bewährter ORF-Manier hausintern und extern deutlich größer ausgeschlachtet werden als etwaige Erfolge. Immerhin kennt sie den ORF von der Pike auf. Nach ihrem Studienabschluss - Jus, Theaterwissenschaften und Politik - war sie von 1986 bis 1991 fünf Jahre lang in der ORF-Unterhaltungsabteilung tätig. Vor ihrem Wechsel zum Münchner Sender tele 5 war sie für einen kurzen Zeitraum auch noch Referentin des damaligen bürgerlichen ORF-Generalsekretärs Kurt Bergmann.
Ihre erste große Karriere im ORF brachte Gerhard Zeiler ins Rollen. Mit seiner Hilfe wurde sie mit 28 Jahren tele 5-Unterhaltungschefin und anschließend Programm-Managerin bei Endemol. Mit 31 Jahren holte Zeiler, damals gerade frisch gekürter ORF-Generalintendant, Zechner als Programmintendantin nach Wien zurück. Als sie 1995 ihr Amt erstmals antrat, war sie für Zeiler ein Beispiel für die von ihm angestrebte "Mischung aus Hauskenntnis und internationaler Erfahrung". Das waren auch die Attribute, auf die Wrabetz bei seiner Wiederwahl im Jahr 2011 bei seiner Suche nach einer TV-Direktorin Wert legte, und so landete auch er bei Zechner.
"Frei und unabhängig agieren zu können" war Zechners Bedingung, als sie im Jänner 2012 zum zweiten Mal das Amt der Fernsehchefin im ORF antrat. "Ich diene mich niemandem an, fürchte mich aber auch vor niemandem. Ich bin schon einmal mit aufrechtem Gang gegangen", sagte sie in Anspielung auf das Jahr 2002, als Monika Lindner Zechners ORF-Karriere vorübergehend ein Ende setzte. "Dieser aufrechte Gang ist es, den ich auch meinen Mitarbeitern ans Herz legen will."
Zudem wird sie als starke weibliche Stimme im Medienbusiness gehört. "Als Löwin für die Frauen im ORF verstehe ich mich sehr wohl", sagte sie selbst - als sie mit der "Medienlöwin" ausgezeichnet wurde. Einen privaten Ausgleich zu ihrer nicht selten bis tief in die Nacht andauernden Arbeit findet die "quirlige Kathi" in ihrer Familie. Das sind die zwei Söhne Stanislaus (dessen Vater Schauspieler Erwin Steinhauer ist) und der 2006 aus Kambodscha adoptierte Rithy. An freien Wochenenden zieht es die am 17. Mai 1963 in Graz geborene Zechner immer wieder in ihre steirische Heimat, wo sie sich im Süden einen Rückzugsort bewahrt hat.