Alexander Wrabetz (56) hat es schon wieder geschafft. Diesmal war es "arschknapp", um ein geflügeltes innenpolitisches Wort zu verwenden. Zehn Jahre, nachdem Wrabetz Monika Lindner den Chefsessel am Küniglberg abgejagt hatte, wurde er als erster ORF-Chef zum dritten Mal in Folge zum Generaldirektor bestellt. Nicht einmal der legendäre Generalintendant Gerd Bacher schaffte dieses Kunststück.
Mit Rückendeckung der SPÖ und taktischem Geschick zimmerte Wrabetz wie vor zehn Jahren eine bunte Koalition aus roten, grünen, pinken und unabhängigen Stiftungsräten. Insgesamt entfielen 18 Stimmen auf Wrabetz und 15 auf seinen Herausforderer, ORF-Finanzdirektor Richard Grasl. Zwei Stiftungsräte (Franz Küberl, Gudrun Stindl) enthielten sich. Grasl zeigte sich sportlich und gratulierte Wrabetz "ganz, ganz herzlich". Neben dem Amtsbonus sicherte dem amtierenden ORF-Chef wohl letztlich der Umstand die Wiederwahl, dass Wrabetz seine Macht an der größten Medienorgel des Landes dosiert einsetzte und den Redaktionen jede Menge journalistischen Freiraum in der täglichen Arbeit gewährte - manchmal zu viel, wie Kritiker nicht müde wurden zu betonen.
Neben den 13 Vertretern des SPÖ-"Freundeskreises" im Stiftungsrat erhielt der neue alte ORF-Chef auch die Stimmen der zwei unabhängigen links stehenden Betriebsräte Christiana Jankovics und Gerhard Moser, die des Kärntner Stiftungsrats Siggi Neuschitzer, des Grünen Wilfried Embacher sowie von NEOS-Stiftungsrat Hans Peter Haselsteiner. Wrabetz Herausforderer Richard Grasl kam auf 15 Stimmen und wurde von 13 Vertretern des ÖVP-"Freundeskreises" gewählt. Daneben wählten FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger und Team Stronach-Vertreter Günter Leitold den von der ÖVP favorisierten Kandidaten.
Die unabhängige Betriebsrätin Gudrun Stindl sowie der unabhängige Regierungs-Stiftungsrat Franz Küberl, der wegen des Todesfalls eines engen Freundes nicht an der Sitzung teilnehmen konnte, sein Votum aber durch die bürgerliche Stindl übermitteln ließ, enthielten sich nach Informationen der Kleinen Zeitung ihrer Stimme. Küberl wollte offenbar nicht Teil des Matches SPÖ gegen ÖVP sein und zugleich ein Zeichen gegen den Druck setzen, der in den vergangenen Tagen auf ihn persönlich und über Dritte ausgeübt wurde. Die Reaktionen der Parteien auf Wrabetz Wiederwahl finden Sie hier.
Norbert Steger sieht Neuwahlen
Die Wahlentscheidung war letztlich auch eine politische Lagerwahl: SPÖ, Grüne, NEOS und Unabhängige für Wrabetz, ÖVP, FPÖ und Team Stronach für Grasl. Für Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), der sich im Vorfeld der ORF-Wahl klar für Wrabetz ausgesprochen hatte, bedeutet die Bestellung seines Kandidaten nach der Niederlage bei der Wahl des Rechnungshofpräsidenten eine Stärkung.
Aufhorchen ließ dabei FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger. Der Freiheitliche erklärte noch vor der Wahl, dass er ohnehin damit rechne, dass es im kommenden Jahr zu einem Regierungswechsel mit freiheitlicher Beteiligung komme. "Das ist eine Abstimmung für ein Jahr, ab 1. Jänner, dann gibt's Neuwahlen. Die Freiheitliche Partei hat mich bereits beauftragt, ein neues ORF-Gesetz zu machen, denn ohne Reformen wird's nicht gehen", stellte Steger einen Machtwechsel im ORF für 2018 in Aussicht.
Der Grüne Stiftungsrat Wilfried Embacher begründete seine Wahlentscheidung für Wrabetz mit Skepsis über Grasls Führungskonzept. Er befürchtete zu viel Machtfülle bei der von Grasl konzipierten neuen Generaldirektion. Zugleich bestätigte Embacher, dass es in der Grünen Partei auch Stimmen gegeben habe, die für Grasl plädierten. Der ursprünglich von BZÖ/FPK bestellte und später von der SPÖ-geführten Landesregierung unter Landeshauptmann Peter Kaiser verlängerte Kärntner Stiftungsrat Siggi Neuschitzer nannte Wrabetz' Informationskonzept sowie die Technik-Pläne der beiden Bewerber als Hauptgründe für sein Votum Pro-Wrabetz. Den ORF will Alexander Wrabetz in den kommenden Jahren zum Social Media-Haus umbauen. "Der ORF soll das digitale Leitmedium der Zukunft bleiben", so der neue alte Generaldirektor. Für ORFeins plant er mehr österreichische Inhalte und eine Stärkung der Information, ORF III soll weiter ausgebaut werden. "Stärken weiterentwickeln" laute das Motto für ORF 2 und die ORF-Radios.
Als Amtsinhaber kann Wrabetz auf eine solide Bilanz verweisen. Seit der Finanzkrise 2008 fährt der ORF ein Spar-und Restrukturierungsprogramm, mit dem kräftig Personal eingespart wurde. Millionen-Verluste, die damals eingefahren wurden, könnte Wrabetz im Tandem mit seinem Finanzdirektor und Kontrahenten Richard Grasl schließlich wieder drehen. 2015 schloss man zum sechsten Mal in Folge mit einem positiven Jahresergebnis und deutlich über Plan ab.
Der ORF meisterte unter Wrabetz eine österreichische Song-Contest-Austragung samt Kosten, lancierte ORF III sowie ORF Sport + und baute die TVthek aus. Publikumsrenner wie die Show "Dancing Stars" funktionierten in den vergangenen Jahren weiterhin, mit "Vorstadtweiber", Skurrilem wie "Braunschlag" oder den "Landkrimis" setzte man österreichische Produktionsakzente. Jüngste Errungenschaft des Wrabetz-ORF war die Frühstücks-Schiene "Guten Morgen Österreich", die vielen aber zu unterhaltungslastig ist.
In Wrabetz zweite Amtszeit fiel nach langem Hin und Her auch die Entscheidung, das ORF-Zentrum auf dem Küniglberg in Wien-Hietzing zu renovieren (anstatt neu zu bauen) und (fast) alle Standorte dort zusammenzuziehen. Auch den daraus resultierenden Verkauf des Funkhauses zog Wrabetz durch.
Doch nicht alles kann glattgehen in einem Medienmoloch wie dem ORF. Wie bei jedem ORF-General steht stets eine Frage im Raum: Wie hält es Wrabetz mit der Politik? Dass er SPÖ-nahe ist, hielt zwar schon 2011 auch die ÖVP-nahen Stiftungsräte nicht davon ab, ihn zu wählen. Doch in den vergangenen zehn Jahren passierten auch Schnitzer. Als er den früheren SPÖ-Ministersprecher Niko Pelinka zu seinem Büroleiter machen wollte, gingen die Wogen so hoch, dass er die Notbremse ziehen musste.
Wrabetz wieder zum ORF-Generaldirektor gewählt
Wie überhaupt ORF-Personalia stets von politischem Getöse oder zumindest entsprechenden Mutmaßungen begleitet werden. Mehrmals brachten Wrabetz Beschlüsse über Spitzenpositionen in Fernsehen und Radio Unbill mit der Belegschaft ein und Vorwürfe, er habe ein zu offenes Ohr für Wünsche aus SPÖ und ÖVP. Umstrittene redaktionelle Entscheidungen wie der Solo-Auftritt des Ex-Kanzlers Werner Faymann (SPÖ) bei "Im Zentrum" oder die Nicht-Einladung Richard Lugners zu den TV-Duellen im Präsidentschafts-Wahlkampf taten das Ihrige dazu, dass die ORF-Information unter Wrabetz zuletzt auch kritisch beäugt wurde.
Dass sich der promovierte Jurist, Opernliebhaber und Rapid-Fan aus freiheitlichem Elternhaus über die Jahre der ungebrochenen Unterstützung der SPÖ gewiss sein konnte, traf übrigens nicht immer zu. Es gab eine Zeit, da zeigten Faymann und sein Staatssekretär Josef Ostermayer recht unverhohlen Lust, ihn abzusägen. Wrabetz überlebte schließlich beide - was ihm jedenfalls einen Platz in den inoffiziellen Annalen des ORF sichert. Und mit einer dritten Amtszeit in Folge schreibt sich Wrabetz nun auch in die offiziellen Geschichtsbücher des Küniglbergs.