Was für ein königlicher Empfang für die Waffen eines Mannes, der gar nie König war! Wie ein Volksfest feiert Albanien dieser Tage die kurze Heimkehr von Helm und Schwertern seines Nationalhelden Fürst Georg Kastriota (1405-1468), genannt Skanderbeg. Die Artefakte werden in dem bitterarmen Balkanland als nationale Reliquien verehrt. Aufbewahrt werden sie jedoch im Kunsthistorischen Museum in Wien, das sie aus Anlass der Hundertjahrfeier der Unabhängigkeit Albaniens dem Nationalmuseum in Tirana kurze Zeit als Leihgabe überlassen hat.
Das war gar nicht so einfach. Denn in Albanien gibt es Stimmen, die meinen, die Waffen wären in Tirana besser aufgehoben als im fernen Wien.
Um böse Überraschungen zu vermeiden, musste die albanische Regierung daher vor der Übergabe vertraglich die "volle Immunität" von Helm und Schwertern zusichern.
Es ist nicht der einzige Fall, in dem Kunstschätze im Besitz der Republik fremde nationale Begehrlichkeiten wecken. So verlangt Mexiko seit Jahrzehnten von Österreich die Herausgabe der sogenannten Federkrone des letzten Aztekenherrschers Montezuma. Dass der wertvolle Kopfschmuck wie übrigens auch Skanderbegs Helm höchstwahrscheinlich auf legalem Wege von den Habsburgern erworben wurde, spielt dabei ebenso wenig eine Rolle wie die Zweifel von Experten an der Authentizität der Objekte. Entscheidend sind ihr Status als Denkmal nationaler Identität und der hohe symbolische Wert, den sie für andere Völker besitzen. Sie lassen eine steigende Zahl jüngerer, oft postkolonialer Staaten und indigener Völker zumindest moralischen Anspruch auf ihr in Sammlungen in Paris, Wien, Amsterdam, New York und Berlin verwahrtes kulturelles Erbe erheben. China fahndet im Westen nach den geraubten Schätzen des Sommerpalastes vor Peking. Jordanien macht Israel Teile der Schriftrollen vom Toten Meer streitig. Und Ägypten möchte vom British Museum in London den Stein von Rosette wiedergewinnen.
Eine eindeutige Rechtsgrundlage für die Rückgabe gibt es selten, selbst wenn es sich einst um Raub handelte. So fordert Griechenland vergeblich die Herausgabe der berühmten Parthenonskulpturen, die Lord Elgin im 19. Jahrhundert von der Akropolis von Athen stahl und nach London verschiffte, wo sie zu den Prunkstücken des British Museums zählen.
Doch was heute für Verstimmung zwischen den Nationen sorgt, hat sich vielfach als Segen für die Kunst erwiesen. So beklagte zwar schon der römische Konsul Cicero, dass die Villen vieler nobler Landsleute vollgestopft mit Wertgegenständen seien, "die unseren treuesten Bundesgenossen gestohlen" wurden. "Man blickt auf Athen, Pergamon, Milet und Sizilien, deren Schätze angehäuft in wenigen Landhäusern liegen."
Ein Segen für die Kunst
Doch "die Schiffsladungen griechischer Skulpturen, die in der Antike nach Rom gelangten, begründeten erst die Weltgeltung griechischer Kunst", meint der Historiker Alexander Demandt. Weil sie in unseren Breiten den Kunstsinn förderten, hätten die Wagentransporte antiker Statuen, die in der Neuzeit über die Alpen gingen, mehr Nutzen im Norden als Schaden im Süden gestiftet. Auch Sabine Haag, Direktorin des Kunsthistorischen Museums, glaubt, dass "Montezumas Federkrone" kaum erhalten geblieben wäre, hätte sie der kunstsinnige Erzherzog Ferdinand II. von Tirol nicht im 16. Jahrhundert in Italien gekauft und durch besondere museale Verwahrung auf Schloss Ambras gewürdigt. "Bei rechtmäßigem Erwerb kann die Rückgabe keine Lösung sein", sagt Haag. Vielmehr stelle sich die Frage, wie man kulturelles Erbe heute sinnvoll teilen könne.
Der Grat bleibt schmal. Aber die vielen Menschen, die begeistert vor dem Nationalmuseum in Tirana für einen kurzen Blick auf Skanderbegs Waffen anstehen, zeigen, dass es ohne Groll und Schuldzuweisungen möglich ist.