Seit drei Jahren verhandelt eine dreistellige Zahl von Experten aus Europa und den USA über das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP. Heute gehen die Gespräche nun in die zwölfte Runde. Doch immer noch ist völlig offen, ob der große Wurf gelingt, der nach dem Willen der Beteiligten weltweit Standards auf vielerlei Ebenen setzen soll, von technischen Prozessen bis zum Investorenschutz.
Die nun anstehende Verhandlungsrunde markiert den Schlusspunkt der Sondierungsphase. Danach sollen die ersten Nägel mit Köpfen gemacht werden. Das "middle game" beginnt im Sommer, es sollen die ersten Vereinbarungen zu den Punkten verfasst werden, zu denen es keine größeren Meinungsverschiedenheiten gibt. Anschließend geht es im "end game" ans Eingemachte. Erst dann wird sich entscheiden, ob das Freihandelsabkommen zwischen den beiden wichtigsten und größten Wirtschaftsräumen dieser Welt Wirklichkeit wird oder nicht. Angeblich ist bereits der Begriff "TTIP light", für ein Schmalspur-Abkommen, in der Welt.
Umstrittener Investitionsschutz
In der nun anstehende Verhandlungsrunde wollen die Europäer in zwei zentralen und besonders umstrittenen Bereichen Neues auf den Tisch legen. Zum einen geht es um den Investitionsschutz, also das Verfahren, wie Konflikte zwischen Unternehmen und Staaten beigelegt werden sollen. Bisher wurde hier über private, wenig transparente Schiedsgerichte gesprochen. Der neue EU-Vorschlag sieht nun vor, dass Berufsrichter solche Streits außerhalb der übliche Gerichtsbarkeit lösen sollen. Gegen ihre Entscheidung soll eine Berufung möglich sein. Auf diese Änderung hatte besonders Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gedrängt. Ob die USA mitmachen, ist noch offen. Immerhin hat es im Vorfeld noch kein Nein gegeben.
Der zweite Punkt ist die "regulatorische Zusammenarbeit", bei der es um die Abstimmung der Aufsichtsbehörden auf beiden Seiten des Atlantiks geht. Kritiker befürchten hier ein Aushebeln demokratischer Rechte, eine Aushebelung von Parlamentskompetenzen bei nationalen Gesetzgebungen.
Lange Verhandlungen
Experten sind daran gewöhnt, dass umfassende und detailreiche Freihandelsverhandlungen lange dauern. Mit Indien zum Beispiel spricht die EU seit 2007 - Ende offen. Fünf Jahre dauerten die Verhandlungen der USA mit zwölf Pazifik-Anrainerstaaten über den Transpazifischen Freihandelspakt TPP. Gemessen daran wäre es fast sensationell, wenn die Beteiligten es schaffen würden, noch in der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama das TTIP-Abkommen unter Dach und Fach zu bringen. Denn nach der Wahl seines Nachfolgers oder seiner Nachfolgerin im November wird nicht nur das inzwischen geübte Verhandlerteam der USA weitgehend ausgetauscht. Es ist auch nicht gesichert, dass der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin dem Thema TTIP noch so hohen Rang gibt wie Obama.
Deutsche Grüne für Abbruch
Die deutschen Grünen fordern den Abbruch der Verhandlungen. Fraktionschef Anton Hofreiter sagte der "Bild am Sonntag": "Die Verhandlungen laufen in die falsche Richtung. So kann es nicht weitergehen. Ich fordere den Abbruch der undurchsichtigen Verhandlungen."
Nur auf Basis des europäischen Verbraucher- und Umweltschutzes und ohne Schiedsgerichte "kann man über ein Abkommen mit den USA sprechen". Auch viele Deutsche sind gegenüber TTIP skeptisch. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für die Zeitung ergab, dass 41 Prozent in TTIP "eher eine schlechte Sache" für Deutschland sehen. Nur 25 Prozent halten es für eine "eher gute Sache".
Für Verbraucher werde TTIP bare Vorteile bringen, behauptet hingegen der US-Handelsbeauftragte Michael Froman: "Europa und die USA erheben immer noch Zölle auf unterschiedlichste Produkte. Zölle passen nicht mehr in unsere Zeit. Schaffen wir sie ab, sinken die Preise und die Verbraucher haben mehr Geld in der Tasche."