In der europäischen Stahlbranche wachsen die Existenzsorgen. Angesichts des seit Jahren anhaltenden Preisdrucks und neuer politischer Belastungen schlug die Industrie bei der"Handelsblatt-Jahrestagung Stahlmarkt 2015" am Donnerstag in Düsseldorf laut Alarm.

Der Chef des österreichischen Stahlkonzerns voestalpine, Wolfgang Eder, äußerte Zweifel, ob es in 20 Jahren noch aktive Hochöfen in Europa geben wird. Vor allem die Energiekosten samt des geplanten verschärften Handels mit CO2-Emissionszertifikaten gefährde die Wettbewerbsfähigkeit in Europa.

"Wir brauchen faire Chancen, um uns im internationalen Wettbewerb behaupten zu können", sagte der oberste Stahlmanager von ThyssenKrupp, Andreas Goss.

Kritik an Klimapolitik

"Falsche Energie- und klimapolitische Rahmensetzungen dürfen die Perspektiven der Stahlindustrie in Deutschland nicht gefährden", erklärte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff.

ThyssenKrupp-Manager Goss erklärte, dass von einer erfolgreichen Stahlindustrie die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wirtschaft abhänge. Denn die Stahlbranche stehe am Anfang der industriellen Wertschöpfungskette. "Deshalb müssen wir in der Politik deutlich machen, dass wir keine Partikularinteressen vertreten." Bei den Entscheidungsträgern stoße er aber oft auf taube Ohren. "Der Grad des Unverständnisses über industrielle Wertschöpfungsketten ist manchmal nicht vorstellbar." Ähnlich äußerten sich Vertreter von wichtigen Stahlverarbeitungsbereichen.

Die Stahlindustrie müsse angesichts der bestehenden Überkapazitäten aber auch selbst ihre Hausaufgaben erledigen, forderte Goss. "Über kurz oder lang wird es eine weitere Konsolidierung geben müssen, weil schlicht und einfach nicht alle Anbieter überleben können. ThyssenKrupp wolle diesen Prozess aus einer Position der Stärke angehen.

Gegen Subventionen

Verbandschef Kerkhoff warnte davor, mit Subventionen die notwendige Marktbereinigung in Europa zu verhindern. "Es darf sich nicht wiederholen, dass die wettbewerbsstärksten Unternehmen die größten Anpassungslasten zu tragen haben." Er verwies etwa auf die Situation in Italien, wo die Regierung zuletzt ein marodes Stahlwerks verstaatlichte.

Sorgen bereiten der Branche auch wachsende Importe aus China. Verbandschef Kerkhoff rief die EU erneut dazu auf, die Branche gegen "unfaire Drittlandimporte" zu schützen. Laut Kerkhoff ist das lange rasante Wachstum des chinesischen Stahlbedarfs inzwischen an seine Grenzen gestoßen. Deshalb müsse China nun selbst eine Marktbereinigung anstoßen und daran gehindert werden, mit steigenden Ausfuhren zu Ramschpreisen das Problem ins Ausland zu schieben.

Dabei ist freilich umstritten, ob der chinesische Markt jenseits der derzeitigen Schwäche wirklich gesättigt ist. Die Wirtschaftsberatungsgesellschaft PwC rechnet einer Studie zufolge erst um 2030 herum damit, dass das Land den Höhepunkt seines Stahlbedarfs erreicht. Bis dahin dürfte es demnach noch deutlich Zuwächse geben.