Die Kugel mit "Austria" war bei der EM-Auslosung am Samstagabend im Palais des Congres in Paris als letzte noch im Topf, was einen Platz in der Gruppe F ergab. Vor allem Portugal aus Topf eins und Ungarn aus Topf drei dürfen in Anbetracht der möglichen anderen Gegner als Glückslos bezeichnet werden, dazu kommt mit Island eine Überraschungsmannschaft der Qualifikation. "Portugal ist natürlich der Topfavorit, sie haben mit Ronaldo auch einen Weltklassespieler, der aus nichts sehr viel machen kann. Aber wir können auch nicht drei Spieler abstellen für Ronaldo. Sie haben hohe individuelle Klasse. Island ist unangenehm, schwierig zu bespielen. Bei Ungarn ist sehr viel Euphorie und Begeisterung mit dabei", analysierte ÖFB-Teamchef Marcel Koller.
Im Lager des ÖFB herrschte sowohl Freude über das sportlich attraktive Los, aber auch Zurückhaltung, um unangebrachte Euphorie zu vermeiden. "Wir sind nicht unzufrieden mit der Auslosung, das kann man wirklich so sagen, aber es ist keine 'gmahte Wies'n'", sagte Leo Windtner. "Wenn die Mannschaft sich voll in die Linie begibt, wie sie das in der Qualifikation geschafft hat, dann ist die Chance nicht unrealistisch, die Gruppenphase zu überstehen. Aber es heißt den Ball flach halten, Übermut tut überhaupt nicht gut. Es ist oft gefährlicher, gegen Island oder Ungarn anzutreten, weil die Erwartungshaltung höher ist als gegen große Namen", betonte der ÖFB-Präsident.
Ein Blick in die sozialen Medien, wo die Erwartungshaltung der Fans teils schon ins Unermessliche steigt, gibt der ÖFB-Spitze bei der Zurückhaltung recht. "Jeder Form, von 'nicht so starken Gegnern' zu sprechen, wäre fatal", stellte Sportdirektor Willi Ruttensteiner klar.
Dass im Nationalteam weiter Realismus herrscht, davon geht Windtner aber aus. "Ich bin überzeugt, dass wir so wie in der Qualifikation nicht kalkulieren und nicht spekulieren, sondern nur von Match zu Match gehen. Marcel Koller wird den Ball flach halten und die Mannschaft ist so gereift und so clever, dass wir wissen, die Gruppe ist machbar, aber trotzdem eine gewaltige Hürde", gab sich der ÖFB-Chef zuversichtlich.
Dass vor allem die Gruppe C (zu Deutschland, Polen und Nordirland kam die Ukraine) und die Gruppe D (zu Spanien, Tschechien und der Türkei kam Kroatien) vermieden wurden, ließ jedoch auch Windtner, Koller, Ruttensteiner und Co. aufatmen. "Wir sind auf Nadeln gesessen, um nicht die Gruppe C und D zu bekommen. Das wären wirklich Hammer- oder Horrorgruppen gewesen", sagte Windtner und sprach von "Erleichterung, als es da drüber gegangen ist".
Erfreut war man vor allem, dass es wieder einmal gegen den einstigen Erzrivalen Ungarn geht. 136 Mal hat dieses Duell schon stattgefunden, gegen keine andere Mannschaft hat Österreich auch nur annähernd so oft gespielt. "Unser Eröffnungsspiel gegen Ungarn ist ein großer Reiz. Es ist ein Revival gegen einen der größten historischen Länderspielgegner. Wir planen schon länger, ein Freundschaftsspiel gegen Ungarn zu spielen, das ist nicht gelungen, jetzt muss es so kommen", freute sich der ÖFB-Präsident.
Ungarn ist erstmals seit 30 Jahren wieder bei einem großen Turnier dabei, Island überhaupt das erste Mal. Dagegen ist Österreichs Durststrecke mit WM-Teilnahme 1998 und EM-Teilnahme als Gastgeber 2008 geradezu überschaubar. "Wir sind froh, dass wir zwei haben, die noch weniger Erfahrung haben wie wir. Das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass du locker durch diese Gruppe gehst", sagte Koller.
Der Schweizer wird über Weihnachten ein paar Tage ausspannen. "Aber nächste Woche werde ich mir die Quali-Spiele der Gegner runterladen. Vielleicht ziehe ich mir bei schlechtem Wetter einmal ein Spiel rein", meinte der Schweizer.