Die Berge rufen – und das seit einigen Jahren nicht nur Touristen, sondern auch Städter, die sich bewusst für ein Leben im Gebirge entscheiden. Dabei handelt es sich um einen wenig beachteten, aber weltweiten Trend, den ein Forscherteam der Uni Innsbruck genau untersucht hat.
Anzeichen für einen demografischen Aufschwung haben die Wissenschaftler auch in den Alpen statistisch nachgewiesen. Selbst in abgelegenen Gebieten, die von Abwanderung, niedriger Geburtenrate und hohem Altersdurchschnitt geprägt sind, findet seit einigen Jahren ein Bevölkerungsaustausch statt, so das Ergebnis des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts zu alpinen Wanderungsbewegungen. Dabei wurden insgesamt 70 Gegenden mit starker Zu- und Abwanderung in Slowenien, Frankreich, Italien und Österreich untersucht.
Die Gründe dafür seien neben den landschaftlichen Reizen und der Abgeschiedenheit, auch die niedrigen Grundstückspreise, erklärt Projektleiter Ernst Steinicke vom Institut für Geografie. Heute sei es außerdem durch die Technologisierung möglich, mit den Firmen in den Städten in Kontakt zu bleiben. Aber auch Menschen, die wieder bewusst Landwirtschaft betreiben wollen, würden sich ansiedeln.
„Im Friaul haben wir beispielsweise echte Geisterstädte gefunden, verlassene Dörfer, die neu besiedelt wurden. Manche Orte haben sich von einstelligen zu dreistelligen Einwohnerzahlen gesteigert“, erzählt Steinicke. Voraussetzungen für den Zuzug seien meist ein befahrbarer Weg und eine gute Internetverbindung. „Wir schätzen, dass im italienischen Alpenraum seit dem Jahr 2002 jährlich knapp 3000 Menschen in den ländlichen Raum zuwandern“, erklärt Steinicke. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür sei etwa die Gemeinde Dordolla in den friulanischen Alpen. „Diese Siedlung war noch vor 20 Jahren fast entvölkert, heute leben wieder etwa 100 Einwohner hier“, erläutert der Geograf.
Gerade im Friaul sei die Entwicklung genau zu beobachten. „Im Jahr 2004 kartierten wir noch zwei Dutzend verlassene Städte, heute gibt es nur noch zwei sogenannte ‘Ghost Towns’ in der Gegend.
Der Gegentrend zur Landflucht wurde erstmals in der kalifornischen Sierra Nevada bemerkt und scheint eine weltweite Bewegung zu sein: Eine österreichische Region stelle jedoch eine Ausnahme dar: Der Ostalpenrand – in der Steiermark, dem südlichen Niederösterreich und Kärnten – werde als einzige Region der Alpen von dieser positiven Wanderungsbewegung nicht erfasst. „Das Gebiet ist das demografische Problemgebiet“, erklärt Steinicke. Man habe hier kaum Zuwanderung, dafür Abwanderung. Dies liege daran, dass die Gegend von Großgrundbesitz geprägt und die Holznutzung stark sei. „Die Grundeigentümer sind wenig daran interessiert, Boden zu verkaufen. Dazu gibt es noch weitere Gründe, wie Erschließungsdefizite, Auflassen von Geschäften, und es gibt auch nach wie vor ein Negativimage, das durch den Bergbau geprägt ist“, erklärt Steinicke, der die Daten dazu gemeinsam mit der Uni Graz erhoben hat. “Daran wird sich bis auf Weiteres auch nicht so viel ändern“, schätzen die Experten.
Das soll nun aber noch genauer untersucht werden.
Maria Schaunitzer