Auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen hat der Vater des verantwortlich gemachten Co-Piloten neue Ermittlungen zu dem Unglück gefordert. "Wir sind auf der Suche nach der Wahrheit", sagte Günter Lubitz am Freitag in einer Pressekonferenz in Berlin. Zeitgleich gedachten in Frankreich und Deutschland Hunderte Angehörige der Opfer.
"Auch wir suchen nach Antworten"
Die Vorwürfe gegenüber den Ermittlungsbehörden und das ausgewählte Datum der Pressekonferenz stießen auf Kritik. "Natürlich wussten wir, dass sich heute das tragische Unglück zum zweiten Mal jährt und dass uns das übel genommen wird", sagte Lubitz. Es sei aber "egal", welchen Tag er ausgewählt hätte. Es gehe nicht darum, "Angehörige zu verletzen, sondern um Gehör zu finden". Auch er stehe "der Tragödie fassungslos gegenüber".
Lubitz bestritt, dass sein Sohn Andreas Lubitz zum Unglückszeitpunkt an Depressionen litt. Sein Sohn habe im Jahr 2008 Depressionen gehabt, die Krankheit aber sechs Jahre vor dem Absturz überwunden. In den Jahren 2014 und 2015 habe es häufige Arztbesuche gegeben, aber nur wegen Augenleiden. Andreas Lubitz sei in den sechs Jahren vor dem Absturz "ein lebensbejahender Mensch gewesen". "Auch wir suchen nach Antworten", sagte Lubitz.
Die Ermittler gehen nach wie vor davon aus, dass der Co-Pilot die Maschine absichtlich in die Katastrophe steuerte, um sich das Leben zu nehmen. Zu diesem Schluss kamen die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, die Staatsanwaltschaft Marseille und die französische Flugunfallbehörde BEA. Die Ermittlungen ergaben eine lange psychische Krankheitsgeschichte und Arztbesuche wegen psychischer Leiden in den Monaten vor der Katastrophe.
Kapitän wurde aus Cockpit ausgesperrt
Zudem soll sich Lubitz mit den Möglichkeiten eines Suizids und mit den Sicherheitsvorkehrungen bei Cockpittüren befasst haben. Der Co-Pilot hatte den Ermittlungen zufolge den Kapitän aus dem Cockpit ausgesperrt und einen verheerenden Sinkflug eingeleitet, bis der Airbus an einem Berg in den französischen Alpen zerschellte. Bei der Tragödie am 24. März 2015 kamen alle 150 Insassen ums Leben.
Günter Lubitz zweifelt an den Ermittlungsergebnissen und beauftragte den auf Luftfahrt spezialisierten Journalisten Tim van Beveren mit einem Gutachten. Dieser kommt zu dem Schluss, dass das Motiv der Tat bis heute nicht geklärt sei und es "für die schwere Unterstellung", Andreas Lubitz habe den Absturz absichtlich herbeigeführt, bisher "keinen stichhaltigen Beweis" gibt. "Wir alle haben Vermutungen, aber keine Beweise", sagte van Beveren bei der Pressekonferenz. Van Beveren verwies auf Unstimmigkeiten und "Fehler", die bei den Ermittlungen gemacht worden seien. Ziel sei es nun, die Behörden dazu zu bringen, neue Ermittlungen einzuleiten.
Ein Sprecher des deutschen Verkehrsministeriums sagte, es gebe keinen Anlass, an Art und Ergebnis der Untersuchungen zu zweifeln. Der Düsseldorfer Staatsanwalt Christoph Kumpa betonte, es gebe "keine Anhaltspunkte für eine Absturzursache, die außerhalb der bewussten und gewollten Vorgehensweise des Co-Piloten zu finden wäre".
Staatsanwaltschaft geht von Angststörung aus
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf geht inzwischen davon aus, dass Andreas Lubitz an einer Angststörung litt, berichtete das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" am Freitagnachmittag. Im Beschluss zur Einstellung der Ermittlungen findet sich nun die Diagnose des Psychiaters von Lubitz, der nicht an die Wiederkehr der Depression geglaubt hatte, sondern eine Angststörung feststellte. Diese kann mit Suizidabsichten verbunden sein. Die Ermittler wollten sich laut "Spiegel" aber nicht auf ein Krankheitsbild festlegen.
In den südfranzösischen Alpen kamen am Freitag Hunderte Angehörige zu einer Trauerzeremonie mit Schweigeminute zusammen. Im Dorf Le Vernet, das der Absturzstelle am nächsten liegt, wurde eine Skulptur zum Gedenken an die Opfer enthüllt. Auch in der Stadt Haltern in Deutschland wurde am Freitag der Opfer gedacht. Bei der Tragödie waren 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des Halterner Joseph-König-Gymnasiums getötet worden.
Unterdessen steht das kurz nach dem Germanwings-Absturz eingeführte Vier-Augen-Prinzip im Flugzeug-Cockpit auf dem Prüfstand. Die Regel, wonach sich immer zwei Personen im Cockpit aufhalten müssen, war eingeführt worden, um fliegerische Alleingänge wie vor zwei Jahren zu verhindern. Der Co-Pilot hatte seinen Kapitän aus dem Cockpit ausgeschlossen und den Airbus zum Absturz gebracht.
Die Lufthansa bestätigte am Freitag, dass die Regel aktuell untersucht werde. Hintergrund ist eine entsprechende Prüfempfehlung der europäischen Flugsicherheitsagentur EASA aus dem Juli 2016. Derzeit werde ein Risk-Assessment durchgeführt, sagte AUA-Sprecher Wilhelm Baldia auf APA-Anfrage. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen, die Richtlinie gelte daher bei der AUA unverändert.