Der Abend ist schon fortgeschritten, einige haben den Festivalplatz neben dem Ansbacher Schloss bereits verlassen. Andere genießen an diesem lauen Sommerabend noch den Ausklang des "Open Ansbach"-Festivals, als eine lauter Explosionsknall die Fans der "Deutschpoeten" Philipp Dittberner und Gregor Meyle aus ihren musikalischen Sommerträumen reißt.
Zwölf Menschen werden verletzt, drei davon schwer. Der mutmaßliche Attentäter, ein 27-jähriger Flüchtling aus Syrien, wird getötet. Anfangs spricht die Polizei noch vorsichtig von einer "Gasexplosion" und lässt damit zunächst ein Unglück vermuten - Stunden später scheint klar: Terror und Gewalt haben offensichtlich auch die Kleinstadt-Idylle Ansbachs erreicht. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hält einen islamistischen Anschlag für wahrscheinlich.
Eine Stadt unter Schockstarre
Erst in der Nacht zum Samstag hatte ein Amoklauf das öffentliche Leben in der bayerischen Landeshauptstadt München gelähmt, ein paar Tage zuvor ein junger Flüchtling mit einer Axt in einer Regionalbahn in Würzburg Schrecken unter der Bevölkerung verbreitet.
Noch Stunden nach dem Anschlag in Ansbach steht die Beamtenstadt unter Schockstarre. Menschen irren bis tief in die Nacht in der Altstadt umher, diskutieren an den Flatterbändern die Lage, mit denen die Polizei das Gebiet um den Tatort weitläufig abgesperrt hat. Erst langsam sickert auch in den sozialen Netzwerken durch, dass die ohrenbetäubende Explosion am Westausgang des Festival-Geländes "Reitbahn" nicht etwa von einer defekten Gasflasche herrührte.
So machte schon früh das Gerücht die Runde, ein junger Mann mit langem Bart und Rucksack sei kurz vor der Explosion vor den Westzugang zu dem Festivalgelände auf- und abgegangen. Ein Gerücht, das nach Angaben von Innenminister Herrmann später erste polizeiliche Vernehmungen bestätigen. Die Ermittler gehen davon aus, dass Ziel des Attentäters eigentlich die Festivalbesucher auf der "Reitbahn" waren.
Ziel waren Festivalbesucher
Dort wurde er aber nicht eingelassen, weil er keine Eintrittskarte hatte - zum Glück. Denn, so sind sich die Ermittler sicher, die von ihm in einem Rucksack verstaute Metallsplitter-Bombe hätte unter den rund 2.000 Festivalbesuchern eine groß Zahl Todesopfer gefordert.
Wäre der Plan des vor zwei Jahren nach Deutschland geflohenen Syrers aufgegangen, hätte seine Tat nicht nur etliche Todesopfer gefordert, sondern auch den Freistaat Bayern in Mark und Bein getroffen. Das Festival-Gelände, das auch für Public Viewing genutzt wird, ist Teil des alten, aus der Markgrafenzeit stammenden Schlosskomplexes, der heute die Regierung von Mittelfranken beherbergt - also die Vollzugs- und Kontrollbehörde der Staatsregierung.
Ungläubiger Ansbacher
Derweil treffen an den weitläufigen Absperrungen rund um den Tatort ratlose und verunsicherte Passanten auf ebenso ratlose Polizisten. Zu den rund 200 Beamten, die am Abend aus ganz Bayern zusammengezogen wurden, gehören auch welche einer Polizeihundertschaft aus München. "Wir waren erst am Freitag und Samstag beim Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum eingesetzt", berichtet einer von ihnen.
Unbeeindruckt von dem Polizei-Einsatz setzt unterdessen einer junger Mann unweit des Schlosses seine nächtliche Pokemon-Jagd fort. "Ich lasse mir doch von einem solchen Idioten nicht den Spaß verderben", macht er deutlich. Er selbst hatte sich zum Zeitpunkt des Anschlags wenige Hundert Meter vom Tatort entfernt aufgehalten. "Da war plötzlich ein Riesen-Knall." Aber einen Reim habe er sich darauf zunächst auch nicht machen können. Wer denke denn in Ansbach an ein Bombenattentat?