Die Suche nach dem Motiv des Massenmörders von Newtown wird wohl noch lange dauern. Niemand weiß am Tag nach dem Massaker, warum Adam Lanza am Freitagmorgen losging, um zu töten. Niemand hat auch nur den Hauch einer Ahnung, was Adam Lanza fühlte, als er abdrückte. Denn der 20 Jahre alte Mann ist tot. Er hat sich erschossen. Und in Newtown, dem kleinen Städtchen im US-Bundesstaat Connecticut suchen die Menschen nun nach Antworten, die ihnen niemand geben kann.
Beth Israel hat eine Zeit lang in der Straße gelebt, in der Adam mit seiner Mutter Nancy Lanza wohnte. Israel sagte jetzt, Adam sei ein ruhiger und schüchterner Mensch gewesen: "Er konnte anderen Leuten nicht in die Augen. Er war ein bisschen merkwürdig." Auch ein früherer Mitschüler des Amokläufers sagte, Adam sei eher der ruhige Typ gewesen: "Wenn man versuchte, mit ihm ins Gespräch zu kommen, kamen von ihm immer nur Antworten, die aus ein, zwei Worten bestanden."
Was genau geschehen ist, dass aus Adam, dem ruhigen Typen, ein Massenmörder wurde, ist unbekannt. Klar scheint mittlerweile nur, dass er seine monströse Tat in aller Ruhe und Gelassenheit vollzogen hat.
Am frühen Freitag erschießt Lanza zunächst seine Mutter Nancy in der gemeinsamen Wohnung in der Yogananda Street. Die 52 Jahre alte Frau hat Adam seit ihrer Trennung von ihrem Mann Peter vor mehr als einem Jahrzehnt allein aufgezogen. Sie war Kindergärtnerin an der Sandy-Hook-Grundschule, trank gerne ein Gläschen Wein mit den Nachbarn und besaß jene Waffen, mit denen ihr Sohn sie tötete. Sie sei mit den Pistolen und Gewehren verantwortlich umgegangen, sagte der Ex-Mitschüler von Adam: "Es ist nicht ihre Schuld, dass das passiert ist."
Nach dem Mord an seiner Mutter steigt Adam Lanza in sein Auto und fährt zur Grundschule. Lanza hat zwei Pistolen mitgebracht - eine Glock und eine Sig Sauer. Die Polizei wird später im Auto von Lanza auch ein Gewehr finden. Es ist ein halb automatisches Schnellfeuergewehr vom Typ Bushmaster. ähnliche Waffen benutzen US-Soldaten in Afghanistan. In manchen US-Bundesstaaten ist der Erwerb einer solchen Waffe so einfach wie der Kauf einer Kiste Bier.
Nach den bisherigen Ermittlungen eröffnet Lanza sofort das Feuer, nachdem er das Schulgebäude betreten hat. Er habe dabei ganz ruhig gewirkt, sagen Augenzeugen. Er soll kein einziges Wort gesagt haben. Er habe nur geschossen und geschossen und geschossen.
Nur wenige Minuten
Das Massaker dauert nur wenige Minute. 18 Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren sterben im Schulgebäude, zwei Kinder erliegen später in einem Krankenhaus ihren Verletzungen. Lanza tötet auch sechs Lehrer. Unter ihnen die Schulleiterin Dawn Hochsprung, die Chefin seiner Mutter. Dann richtet Lanza die Waffe gegen sich selbst.
In den Stunden der Verzweiflung und Hektik, die auf das Massaker folgen, wird erst Adam Lanzas Bruder Ryan für den Täter gehalten. Das liegt an Papieren, die bei der Leiche gefunden werden. Doch Ryan ist zu diesem Zeitpunkt mehr als 100 Kilometer entfernt vom Tatort. Er lebt in Hoboken in New Jersey und macht, als die Nachricht von der monströsen Tat in Newtown hört, einen Facebook-Eintrag und schreibt: "Ich war es nicht!"
Einige Stunden danach sagt Dan Malloy, der Gouverneur von Connecticut: "Das Böse ist heute nach Newtown gekommen und hat eine Tragödie unaussprechlichen Ausmaßes über diese Gemeinde gebracht."
Noch mindestens zwei Tage wird die Polizei die Spuren des Amoklaufs in der Schule sichern und jeden daran erinnern, was dort geschehen ist. Doch die Aufarbeitung des schlimmsten Schulmassakers in der Geschichte der USA wird noch Wochen dauern. Denn die Debatte über eine Verschärfung der laxen Waffengesetze hat gerade erst begonnen. Nach früheren Massakern endete sie meist ergebnislos.
Leitartikel Seite 12