Innovationen können Unternehen auch schaden – liegt das daran, dass Ideen so viel Arbeit machen? Oder was ist die Gefahr von Geistesblitzen?
JOSEF MOSSHAMMER: Ich sehe das bei uns: Wir lassen uns immer wieder voll auf Ideen ein und sind mit Herzblut dabei, ohne die Sache vorher finanziell durchzudenken. Das muss man rechtzeitig wieder auf den Boden bekommen. Es zerstören einen nicht die Ideen, sondern die Umsetzung.
EVA SIGL: Unser Unternehmen Qualizyme beruht auf einer Idee, an die wir geglaubt haben und deshalb ein Start-up gegründet haben. Unser Produkt ist noch nicht einmal am Markt, aber wir werden schon jetzt nach den nächsten Ideen und Produkten gefragt, auch das ist eine Gefahr.
ROLAND KALB: Ideen kommen jeden Tag. Umsätze kommen vom Umsetzen. Mein Unternehmen proionic ist wegen zu vieler Ideen fast mal pleite gegangen. Die Idee ist zwar der notwen-dige Zündfunke, aber sie ist nicht annähernd hinreichend. Neben einem marktreifen Produkt braucht es Knowhow, einen Marktzugang und und und – da gibt es mindestens 10 Kriterien.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Zusammenhang?
ROLAND KALB: Es ist schwierig, Mitarbeiter zu finden, die Produktionserfahrung in der Chemie mitbringen und auch innovativ denken. Ich frage in Bewerbungsgesprächen bewusst etwas nahezu Unbeantwortbares, um zu testen, wie jemand damit umgeht und ob er oder sie fähig ist, spontan unkonventionelle Lösungsansätze zu entwickeln.
JOSEF MOSSHAMMER: Innovativ zu sein, liegt bei uns in der Unternehmensführung, auch wenn wir die Mitarbeiter in der Ausbildung in diese Richtung führen wollen.
MARTIN NEUBAUER: Innovationsfähigkeit muss unbedingt in der Ausbildung verankert werden. Das ist es auch, was wir am WIFI Steiermark in der Aus- und Weiterbildung weitergeben wollen, damit diese Menschen in den Unternehmen mit offenen Armen empfangen werden.
EVA SIGL: Und dann muss das Umfeld in der Firma auch noch stimmen. Das zu schaffen, ist schwierig, denn die Mitarbeiter brauchen auch Freiräume, um Innovationen zu denken.
MARTIN NEUBAUER: Die Mitarbeiter müssen dazu „erzogen“ werden, innovativ zu sein und moti- viert werden. Ein solcher Motivationsfaktor kann es sein, wenn Mitarbeiter mit alternativen Aus-bildungen integriert werden und ein anregendes Klima dafür schaffen, über den Tellerrand zu
schauen.
Fleisch bleibt Fleisch – muss jedes Unternehmen innovativ sein oder gibt es Traditionsbetriebe, die da „drüberstehen“?
JOSEF MOSSHAMMER: Nein, man muss immer irgendwas tun. Alleine schon, um sich selbst geistig fit zu halten und sich eine Freude zu machen. Sonst hätte ich Angst, die Freude zu verlieren – du brauchst die Innovationen für dich selbst.
ROLAND KALB: Ja, wenn es so läuft, dann stimmt auch das Klima für Innovationsfähigkeit. Ich habe viele Unternehmen kennengelernt, die das aber nicht ernst meinen und nur nach außen hin innovativ sein wollen. Aber dann funktioniert es nicht, weil die Mitarbeiter das merken. Ein Unternehmer, der es ernst meint, muss Freiräume, Zeit, Budget und Verantwortung für die Mitarbeiter sozusagen als Voraussetzungen zur Verfügung stellen.
Ist es schwieriger, diese Strukturen zu schaffen, als Ideen zu haben?
MARTIN NEUBAUER: Ja, wir haben definitiv geniale Unternehmen, geniale Menschen, aber an der Schwelle zur Umsetzung liegt das Problem. Da fehlt etwas, um diese Ideen auf den Boden zu bringen.
Braucht Innovation also mehr (Aus-)Bildung?
JOSEF MOSSHAMMER: Sie braucht auf jeden Fall die Basics. Wer sein Handwerk nicht beherrscht, kann nicht innovativ sein.
ROLAND KALB: Die für Innovationen notwendige Kreativität muss man von Kindheit an lernen. Das Smartphone hindert meiner Meinung nach junge Menschen daran, ihr Kreativitätspotenzial voll zu entwickeln.
EVA SIGL: Die unterschiedlichen Blickwinkel aus verschiedenen Fachrichtungen sind in unserem Unternehmen die Basis, die wir brauchen. Der Umgang mit Innovationen sollte auch Bestandteil verschiedener naturwissenschaftlicher Studien sein.
MARTIN NEUBAUER: Das ist es auch, was das WIFI Steiermark anbieten will: Wir wollen nicht Innovation an sich lehren, sondern die Umsetzung. Es soll bei der Weiterbildung immer darum gehen, wie man das fürs eigene Unternehmen, fürs eigene Arbeitsleben nutzen kann.
Was ist der Wunsch von Unternehmen an Weiterbildungsinstitute wie das WIFI Steiermark?
JOSEF MOSSHAMMER: Eine Herausforderung für Weiterbildungsinstitute ist es meiner Meinung nach auch, Netzwerke zu schaffen, denn die tragen zur Befruchtung und damit auch zur Weiterentwicklung bei.
EVA SIGL: Unternehmensführung und die Umsetzung von Kreativität
kann man lernen. Das „Innovations-Gen“ selbst, muss aber in der Firmenkultur verankert sein.
ROLAND KALB: Weiterbildung ist wichtig, um am Stand der Technik zu sein. Sie soll aber darüber hinaus vernetztes Denken fördern und unbedingt zur Motivation beitragen, sie soll begeistern. Und dann liegt es an den Unternehmen, gleichzeitig die Frustrationstoleranz zu lehren, denn gerade bei hochinnovativen Entwicklungen muss man 90 Prozent Fehlschläge einplanen. Damit muss man umgehen lernen und wissen, dass die Daten aus dem Scheitern genauso wertvoll sind.
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