Die Esten sagen Kevad zu ihm, in Japan heißt er Haru und auf Spanisch oder Italienisch Primavera – der Frühling hat unterschiedliche Namen, aber immer die gleiche Wirkung: In der Natur brechen turbulente Zeiten an.  Für die Meteorologen ist der Fall schon gegessen – von der Weltorganisation (WMO) ist der 1. März als Frühlingsbeginn festgelegt worden. Ein einfaches Rechenbeispiel: Jeder Jahreszeit werden drei Monate zugeschlagen, März, April und Mai für den Frühling. Nur auf der Nordhalbkugel, versteht sich, denn auf der Südhalbkugel beginnt am 1. März der Herbst.

Die Astronomen hingegen stehen noch in den Startlöchern, für sie richtet sich der Frühlingsbeginn nach der ersten Tagundnachtgleiche des Jahres und diese ist heuer für Mittwoch, 20. März, um 22.58 Uhr (MEZ) anberaumt. Jahreszeitenforscher, die uns mit dem phänologischen Kalender beglücken, pfeifen sowohl auf den meteorologischen als auch auf den astronomischen Frühlingsanfang. Ihr Lenz unterteilt sich in Vorfrühling, Erstfrühling und Vollfrühling, sie beobachten das Verhalten von Tieren und die Entwicklung von Pflanzen – und ziehen daraus penibel ihre Schlüsse.

Es grünt so grün: Laubfrosch
Es grünt so grün: Laubfrosch © (c) APA (KURT KRACHER)

Leicht haben es die Wetterkundigen in unserer getriebenen Zeit alle miteinander nicht. Hat die Freizeitgesellschaft genug vom Schnee, soll es auf Knopfdruck Frühling werden, manche wollen gleich Sommer. Heuer hat die Wetterküche gezeigt, was sie kann, und schon am 28. Februar die 20-Grad-Marke geknackt. Ein Rekord, ein erstmaliges Ereignis, seit es Aufzeichnungen gibt. Als dann im Norden der 1. März nicht so recht gelang, war das mediale Gezeter groß: „Temperatursturz schaltet Sonnen-Frühling ab!“ Unter dem Strich: Der Februar war zu warm und die Vegetation ist drei Wochen zu früh unterwegs.



Remmidemmi allerorten: Nektartrunkene Hummeln taumeln von Blüte zu Blüte, Bienen kehren mit der ersten schweren Last in den Stock zurück. Dazwischen gaukeln die ersten Zitronenfalter liebestrunken durch die Frühlingslüfte. Sie sind wahre Überlebenskünstler, die sich als Jungspunde im Spätherbst ein sicheres Plätzchen gesucht haben und dann – dank einer Art Frostschutzmittel im zarten Leib – in Stockstarre verfielen.

In der Vogelwelt schütteln Finken, Meisen und die erschöpften Heimkehrer ihr Gefieder aus und machen sich frühlingsfit, Balz ist angesagt. Weithin hörbar erschallen die Reviergesänge der Amselmännchen. Sie sind wahre Meister in der Erfindung und Variation von Motiven. Forscher haben herausgefunden, dass sie in den urbanen Bereichen sogar Alltagsgeräusche in ihre Gesangskompositionen einbauen. In der Morgendämmerung und abends schmettern sie ihre melodiösen Strophen besonders intensiv.

Und mittendrin steht der Mensch – wechselweise von Frühjahrsmüdigkeit und Frühlingsgefühlen durchgebeutelt. Die Diagnose ist eindeutig: mehr Tageslicht, mehr Glückshormone, mehr gute Laune und mehr Tatendrang. „Nun will der Lenz uns grüßen, von Mittag weht es lau“, ein Volkslied, das schon unsere Altvorderen sangen, bevor die Comedian Harmonists mit „Veronika, der Lenz ist da, die Mädchen singen tralala“ richtig Schwung in das Frühlingsahnen brachten.

Der Lenz, dessen Namen sich von Lenzing, der alten deutschen Bezeichnung für März ableitet, war schon immer der Liebling der Dichter und Denker, keine andere Jahreszeit hat sie mehr beflügelt. „Die linden Lüfte sind erwacht, sie säuseln und weben Tag und Nacht“, schwärmte Ludwig Uhland und Theodor Fontane begrüßte ihn mit „Nun ist er endlich kommen in grünem Knospenschuh“.

Sorgt für ein violettes Wohlgefühl: das Veilchen
Sorgt für ein violettes Wohlgefühl: das Veilchen © (c) LianeM - stock.adobe.com

Nicht zu vergessen Eduard Mörike, er lässt jedes Jahr „das blaue Band wieder flattern durch die Lüfte“. Und leicht abgewandelt bei Hermann Hesse: „Wind im Gesträuch und Vogelpfiff und hoch im höchsten süßen Blau ein stilles, stolzes Wolkenschiff.“ Vom blitzblauen Märzhimmel bekommen Gartenfreundin und Gartenfreund vermutlich weniger mit, ihr Blick badet im Blau von Traubenhyazinthen, Blausternchen und den viel besungenen Veilchen. Wer könnte auch dem Ruf des grünen Paradieses noch länger widerstehen?