Gleich vorweg: Diese kleine Wohnbox am Waldrand ist kein Kind der Pandemie, sondern wurde schon 2019 geplant. Viele Menschen beschäftigt der Traum vom kleinen, unabhängigen Haus schon seit der Finanzkrise 2008, aber so richtig Fahrt aufgenommen hat die Mikro-Welle in Zeiten der Corona-Isolation. Die sozialen Medien sind seitdem voll von "Tiny Houses". Aber sie polarisieren: Die einen wollen sich vom Ballast der Konsumgesellschaft und von großem Besitz befreien, flexibel und mobil sein, kostengünstig wohnen, den nächsten Generationen einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck hinterlassen, das Leben entschleunigen und so banale Dinge wie Putzarbeiten minimieren. Die anderen fürchten den von Influencern angeheizten Individualismus, noch mehr Zersiedelung und Landschaftsverbrauch und dass bei diesem Hype soziale, mehrgeschoßige und zentrumsnahe Wohnformen an Attraktivität verlieren.

Wenn vom "Tiny House" die Rede ist, haben viele das Bild eines zwergenhaften Holzhauses mit Satteldach, montiert auf einem Zweiachsanhänger, oder einen mit billigsten Materialien umgebauten Transportcontainer zum Preis eines Kleinwagens im Kopf. Tatsächlich gibt es auf dem Markt nur einige wenige baukulturell anspruchsvolle und gut durchdachte Mini-Häuser, wie etwa das ÁPH80 des spanischen Architekturbüros Abaton oder die verspiegelte, mit der Natur verschmelzende "Casa Invisibile" vom Wiener Büro Delugan Meissl.
Hier stehen wir nun in der Region Villach-Land vor einem Unikat, das der in Wien arbeitende Vorarlberger Christian Tonko für ein junges Ehepaar geplant hat. Der Name der Wohnbox: "MM01", eine Referenz an den an Sparsamkeit und höchster Effizienz interessierten Transportunternehmer Malcolm McLean (schon der Nachname ist Programm!): Dieser erfand 1956 den ISO-Transport-Container.

Ausgangspunkt: Eine Mini-Hütte am Millstätter See

Aber fragen wir das Bauherren-Ehepaar, Fiona und Manuel, das gerade von einer Mountainbike-Tour zurückgekommen ist: Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, Euch ein Haus mit nur 20 Quadratmeter Wohnfläche zu bauen? "Ausgangspunkt war ein Geburtstagsgeschenk, eine Übernachtung in einer Mini-Hütte am Millstätter See." Das hat den beiden Neo-Wienern, Fiona mit Kärntner und Manuel mit Vorarlberger Wurzeln, gleich so gut gefallen, dass sie von der Idee eines eigenen Mini-Reiches in der Heimat von Fiona nicht mehr loskamen. Ihnen war wichtig, das Projekt ressourcenschonend und ohne Bodenversiegelung durchzuziehen. Das "Viertelhaus", so nennen es die beiden, steht auf zehn in die Erde geschraubten Punktfundamenten und wäre im Bedarfsfall einfach mit einem Lkw abzuholen. So wie es auch geliefert worden ist. Hausbau nach dem Prinzip "Plug and Play". Und als modulares System könnte die Box bei Bedarf auch jederzeit erweitert werden.

Das Haus ist in vier gleich große Volumina eingeteilt, erklärt Architekt Christian Tonko im Telefoninterview: Schlafbereich, Wohn- und Arbeitsbereich, Küche und Bad. Die drei Hüllen aus hinterlüftetem Stahl in Aluprofilen, Dämmmaterial und der Innenverkleidung aus Kiefer, sowie die als Wärmepuffer dienende massive Bodenplatte halten Temperaturschwankungen in Grenzen. In der Bodenplatte ist auch die elektrische Fußbodenheizung eingelassen. Die energetische Performance sei auf dem Stand der Technik. Bei Regen sei es auch nicht lauter als in ihrer Wiener Mansardenwohnung, sagt Fiona.

MM01, eine maßgeschneiderte Sonderanfertigung

Die beiden hätten alles, was man braucht, vom PC-Arbeitsplatz über Geschirrspüler bis zur Waschmaschine. Sie möchten das einzigartige Wohngefühl und die unmittelbare Naturnähe, die die großflächige Verglasung bietet, nicht missen. Bei der Planung haben beide mitgestaltet. Dass sich der Schreibtisch inklusive PC unter das Bett schieben lässt, war Manuels Idee. Um Details und Umsetzung kümmerte sich eine Tischlerei mit Erfahrung im Jachtbau (und auch die mit der Fertigung beauftragte Containerbaufirma erwies sich als ein verlässlicher Projektpartner). MM01 ist entgegen der Vermutung einiger Passanten nämlich kein umgebauter Standard-Transportcontainer, sondern eine maßgeschneiderte Sonderanfertigung: etwas kürzer, aber dafür höher als die Kollegen, die sich millionenfach weltweit herumtreiben.

Mit Smartphone-App gesteuert

Fiona und Manuel haben bei Materialauswahl, Verarbeitung und auch bei den Möbeln auf Qualität gesetzt. Das ist Teil ihres Nachhaltigkeitsdenkens. Dafür liegt der Quadratmeterpreis auch in Höhe eines Luxusappartments in der Stadt, aber halt nur mal zwanzig.

Und noch eine interessante Frage an die Bauherrn: Wäre es auch denkbar, dass Ihr Euer "Viertelhaus" auch als Hauptwohnsitz nützt, das ganze Jahr über? "Na ja, das wohl eher nicht", meint Fiona, "sobald einer von uns im Homeoffice arbeitet, wird es vor allem bei Schlechtwetter zu eng." Im Sommer wird die Wohnfläche durch die großzügige Terrasse nach Norden verdoppelt, dann ist es dort durch die kühle Waldluft auch im zweiten "Büro" sehr angenehm. Und im Winter wird das "hideaway" während der Anreise per Smartphone-App vorgewärmt. Die beiden haben jedenfalls hier Wurzeln geschlagen und sind so oft wie möglich vor Ort.