Enrique Sobejano und Fuensanta Nieto sind im Begriff, die Grazer Altstadt nachhaltig zu verändern. Unbemerkt graben sich Baufirmen im Hof des Landesmuseums Joanneum in die Tiefe, um den unterirdischen Zu- und Verbindungsgang des Museumsquadranten zu errichten. Auf dem Dach von Kastner & Öhler ragen unübersehbare Stahlkolosse in den Himmel. Beide Entwürfe stammen vom spanischen Architektenduo. G7 traf Enrique Sobejano in der Kunsthaus-Needle zum Gespräch.

Herr Sobejano, was wussten Sie vor dem Projekstart über Graz?

ENRIQUE SOBEJANO: Ich kannte Graz von einer Reise durch Europa als Student und die Grazer Schule ist mir aus meiner Lehrtätigkeit an der Universität ein Begriff.

Sie realisieren beide Projekte in der Welterbe-Zone. Wie geht es Ihnen mit dem Altstadtschutz?

© Kanizaj

SOBEJANO: Wir arbeiten sehr oft in solchen Zonen. Und uns geht es immer um qualitätsvolle Interventionen im wertvollen historischen Umfeld. Wir würden nie historische Bausubstanz angreifen und ersetzen. Auch bei Kastner war ja vorher das Dach ein Mix aus Klimaanlage-Türmen und nachträglich errichteten Scheindächern. Uns geht es darum, Bausubstanz zu ergänzen, zu verbessern. Beim Kastner-Dach wollten wir auch kein spektakuläres Zeichen setzen, wie es das Kunsthaus ist, in dem wir sitzen.

Und doch gab es heiße Diskussionen um Ihre Dachkonstruktion, die sich über die Altstadt erhebt.

SOBEJANO: Ja, dabei ging es uns gerade darum, die historische Dachlandschaft aufzugreifen, nicht einen großen Block darauf zu setzen, sondern mit Fragmentierung zu arbeiten. Derzeit sind viele Leute nervös, weil die Konstruktion vom Schloßberg aus betrachtet nicht sehr schön ist. Aber so bleibt das ja nicht. Wir machen gerade die Materialtests für die Oberfläche, die bronzen sein wird, sich auch farblich in die Dachlandschaft einfügen wird.

Wird das gleichzeitig mit der Eröffnung der restlichen Kastner-Flächen am 20. Oktober fertig?

SOBEJANO: Nein, das Dach wird erst 2011 finalisiert.

Was auffällt, Sie planen einen Keller fürs Museum und ein Dach fürs Kaufhaus, aber kein ganzes Gebäude ...

SOBEJANO: Ja und das entspricht auch meinem Bild von Graz. Die historische Dachlandschaft oben ist fast einzigartig, auch die mittelalterlichen Gassen unten sind besonders, dazwischen die Fassaden sind nett, nicht außergewöhnlich. Ja, Graz ist nett.

Zu nett?

SOBEJANO: Sehr nett. Aber das ist auch eine Gefahr, weil manchmal ist etwas so nett, dass man aufhört, etwas zu tun. Dass man Angst hat, etwas zu verändern. Gerade auch unsere beiden Projekte beweisen aber, dass Graz sehr wohl mutig ist, sich weiterzuentwickeln. Wir geben den Grazern jetzt zwei neue Plazas, jenen zwischen den Museumsgebäuden, die mit dem Café, dem Eingang zum Museum und einigen Interventionen von Künstlern lebendig sein wird und eine oben mit den Terrassen bei Kastner & Öhler, gegen die wir uns anfangs übrigens gewehrt haben.

Warum?

SOBEJANO: Das hat mit den Vorurteilen zu tun. Als wir aus Madrid kamen, dachten wir, in Graz regnet es die ganze Zeit. Das stimmt nur jetzt. Und wir haben gesehen, wie gerne die Grazer draußen in ihrer Stadt sind.

Zurück zum Altstadtschutz. Wegen des Dachprojekts stand ja sogar die Rückgabe oder Aberkennung des Welterbetitels im Raum. Ist die Unesco ein lästiger Klotz am Bein von Architekten?

SOBEJANO: Nein, gerade hier hatten wir sehr ergiebige Diskussionen, reduzierten Höhen, rangen um Details. Wir haben Respekt vor dem Altbestand und sind bemüht, diese Kastner-Häuser aus verschiedenen Jahrhunderten wirklich unter ein neues Dach zu bekommen.

Ein Dach übrigens, das frappant an Ihr Convention Center in Saragossa erinnert. Darf man sich selbst so ungeschminkt kopieren?

SOBEJANO: Sie haben recht, da gibt es Ähnlichkeiten. Entworfen haben wir diese Fragmentierung für Graz. Beide Projekte lagen zeitlich nah beieinander. Manchmal entwickelt man eben Systeme, die man aus Baukästen öfter neu kombiniert. Letztlich sind die Bauten aber grundlegend anders.

Welches Gebäude in Graz ist für Sie herausragend?

SOBEJANO: Das Kunsthaus ist ein starkes Zeichen. Die Kombination aus dem Namen Peter Cook, der in den 60ern einflussreich war, der Form und des Standortes hat Graz ein starkes Image gegeben, auch wenn man über den architektonischen Zugang und die Funktionalität als Museum geteilter Meinung sein kann.

Es ist nicht ganz Ihr Fall?

SOBEJANO: Nein, ich bin mehr für strikte, klare Linien.

Welche Grazer Architekten sind dann Ihr Fall?

SOBEJANO: Riegler/Riewe gefallen mir sehr gut (das Team hat etwa die Messehalle A geplant, Anm.).