Seit fünf Wochen haben Österreichs Handelsbetriebe - unter Auflagen - wieder in ihrer ganzen Breite geöffnet. Von einem „Normalzustand“ kann freilich noch kaum die Rede sein, doch wie ist es den einzelnen Handelssparten seit 8. Februar in der Steiermark ergangen? Insgesamt funktioniere es „eigentlich gut“, betont Franz Rattenegger, Murtaler Schuhhändler und steirischer Gremialobmann für Mode- und Freizeitartikel. Die Sicherheits- und Hygieneauflagen können von den Betrieben demnach eingehalten werden, „auch die Stimmung ist nicht schlecht, auch wenn sich die Geschäftslage höchst unterschiedlich präsentiert“. So sei ein Stadt-Land-Gefälle zu beobachten, „Händler in den großen Ballungszentren haben es derzeit schwerer als Betriebe in den Regionen“. Gut angelaufen sei der Bereich des Schuh- und Textilhandels, „auch im Sporthandel sorgt die hohe Nachfrage nach Fahrrädern, vor allem nach E-Bikes, für ein gutes Geschäft, das gilt aber nicht für alle Sporthandelsbetriebe“, so Rattenegger. So seien jene Händler, die stark in den touristischen Gebieten vertreten sind und einen Fokus auf den Skiverleih haben, „noch immer stark unter Druck“. Über alle Handelssegmente hinweg konnte im Schuh- und Textilhandel heuer der Februar-Umsatz des Vorjahres - obwohl ja erst ab 8. Februar geöffnet werden konnte - erreicht werden, „insgesamt lassen sich die Einbrüche aber nicht mehr ausgleichen“.
Auch die Witterung bremse die Frequenz derzeit etwas ein. „Wir sind aber sehr froh, dass wir im Gegensatz zum Vorjahr heuer unsere Ware in der wichtigen Zeit vor Ostern verkaufen können“. Rattenegger, der selbst Anfang März - neben Judenburg und Knittelfeld ein drittes Schuhhandelsgeschäft im Einkaufszentrum „City Shopping Leoben“ eröffnet hat, verweist aber auch auf die enormen Rabatte von 50 Prozent, die man zu Beginn der Öffnung in der Branche gewährt habe, um die Winterware verkaufen zu können. Der Mitarbeiterstand sei in den meisten Betrieben gehalten worden, einige würden aber noch auf Kurzarbeit setzen. Beschleunigt habe sich der Trend im stationären Einzelhandel, „dass wir auch digitale Angebote benötigen, daran wird nun noch intensiver gearbeitet, es braucht eine gute Kombination“, so Rattenegger.
"Gastronomie und Veranstaltungen fehlen uns sehr"
Die Zwischenbilanz des steirischen Handelsobmanns Gerhard Wohlmuth fällt differenziert aus, „es gibt sehr große Unterschiede“. Im urbanen Bereich seien die Frequenzen aufgrund des anhaltenden Gastro-Lockdowns weiterhin bescheiden, „wir fordern deshalb weiterhin, dass es hier zu Öffnungsschritten kommt, Einkaufen hat auch mit Stimmung und Erlebnis zu tun und die fehlt nach wie vor“, so Wohlmuth. „Es zeigt sich ja ganz klar, dass die Infektionscluster vor allem im privaten Bereich zutage treten“. Während man im Bereich der Konfektionsware „relativ zufrieden“ mit den letzten Wochen ist, „wobei es hier auch sehr stark über den Preis geht“, schaue es in anderen Bereichen noch immer düster aus. Auch dem Modehandel fehlen neben der Gastronomie auch die Veranstaltungen, „wo soll man denn schöne Kleidung derzeit ausführen?“, so Wohlmuth. „Handelsbetriebe, die ihren Fokus vor allem auf die Belieferung der Gastronomie und Hotellerie haben sind weiterhin bis zu 90 Prozent unter den Normalumsätzen, das Online-Geschäft kann das nicht kompensieren“, sagt Wohlmuth. Es sei auch weiterhin davon auszugehen, dass viele Geschäfte diese Krise nicht überleben werden, „wenn Ende Juni die Stundungen von Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen auslaufen, wird es für viele sehr, sehr eng“, so Wohlmuth.“
"Hat uns positiv überrascht"
Zufrieden und positiv überrascht“ fällt das Zwischenfazit des Grazer Einkaufszentrums „Shopping Nord“ aus. Seit der Wiederöffnung am 8. Februar verzeichnete man dort ein Plus von 14 Prozent. Auch wenn die Frequenz geringer ausfällt als in „Normalzeiten“, jene Kunden, die kommen, „kaufen mehr ein“, wird betont. Das habe sich selbst im Vorjahr gezeigt. Allein im Jahr 2020 war der Einzelhandel elf Wochen geschlossen, „was 20 Prozent der gesamten Einkaufstage entspricht, an den handelsoffenen Tagen verzeichneten wir 26 Prozent Frequenzrückgang“, so Centerleiterin Heike Heinisser.
Dennoch konnte man „als Nahversorger im Norden von Graz und der umliegenden Region mit hohem Stammkundenanteil der Umsatzrückgang auf rund 18 Prozent eindämmen“. Die prognostizierten 30 bis 40 Prozent Rückgang stellten sich nicht ein, so Heinisser. Wichtig seien dabei insbesondere die Gutscheinverkäufe gewesen. Im Privatkundenbereich blieben diese im Vergleich zu den Jahren davor stabil, „bei den Firmenkunden konnten wir indes ein nicht erwartbares Plus von 70 Prozent registrieren, das wohl auf den Ausfall der Firmen-Weihnachtsfeiern zurückzuführen war“, so Heinisser. Erkenntnisse aus der Corona-Krise werden auch in die künftige Ausrichtung einfließen. Man wolle die Freiflächen noch stärker nutzen und einen „Mix aus draußen und drinnen“ forcieren. „Flexibilität, leichte Zugänglichkeit und das Vermeiden von Engstellen wird auch in der Zukunft ganz entscheidend für das Einkaufserlebnis sein“.
Umsatzeinbußen von 250 bis 300 Millionen
Wie geht es dem Handel insgesamt? „Die Umsätze in den ersten beiden Wochen waren über dem Durchschnitt“, bilanziert Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. Das lag an der damaligen Kälte, am Umtausch- und Gutscheingeschäft. Doch das fällt nun weg und von Woche zu Woche würden Frequenzen und Umsätze sinken, so Will. „Wir pendeln uns pro Woche bei Umsatzeinbußen von 250 bis 300 Millionen Euro ein.“ Es fehle nicht nur die Gastronomie, auch seien die Konsumenten verunsichert. Grundsätzlich gelte: „Je kleiner und je weniger digital der Betrieb, je abhängiger vom Tourismus, desto dicker das Minus.“ Im Branchenvergleich sei ganz klar der Modehandel am stärksten von der Pandemie betroffen.