Man hört sie nicht – und sieht sie erst, wenn es fast zu spät ist: Die Elektroscooter, die in Tel Aviv neben den Elektrofahrrädern zu den stillsten, aber effizientesten Teilnehmern im täglichen Verkehrschaos zählen, sind für unbedarfte Fußgänger eine permanente Crash-Gefahr.

Das auffallend junge Stadtpublikum macht mit den hippen Stromflitzern mächtig Tempo – Sinnbild für die Geschwindigkeit, mit der das Leben in der 430.000-Einwohner-Metropole am Mittelmeer pulsiert. Baukräne gehören allerorts zum urbanen Fixinventar, nicht nur für die geplante U-Bahn. Es ist Kulisse für einen der globalen Digitalisierung-Hotspots. Längst sind fast alle großen Internetkonzerne vertreten und fördern oder kaufen vielversprechende Start-ups um teils astronomische Summen.

Um 15,3 Milliarden Dollar hat beispielsweise Intel Mobileye übernommen, eine Milliarde hat sich Google den Navi-Dienstleister Waze kosten lassen, Cisco hat für das Cybersecurity-Unternehmen Cloud Lock 673 Millionen Dollar bezahlt, Apple für den Gesichtserkennungssoftware-Spezialisten Prime Sense 350 Millionen. „Geld ist in Israel nicht das Problem“, heißt es bei „Start up National Central“, einer Non-Profitorganisation in Tel Aviv, die sich dem Heranzüchten von Start ups zu lukrativen Übernahmekandidaten widmet.

Forschung & Entwicklung: Weltweit im Spitzenfeld

Das Potenzial scheint unerschöpflich. Nirgendwo sonst auf der Welt ist die Dichte an Start-ups im Verhältnis zur Einwohnerzahl höher als in Israel. Auf rund 8,5 Millionen Menschen kommen aktuell zwischen 6000 und 6600, 1500 allein im Bereich Health Care. Erst vor wenigen Tage jubelten Wissenschaftler der Universität Tel Aviv über das erste Herz aus menschlichem Gewebe, das sie mit einem 3D-Drucker produziert hatten. Nach den USA und China hat Israel die meisten Unternehmen, die an der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq notiert sind.

Mit über vier Prozent seines Bruttoinlandprodukts zählt Israel zu den Ländern mit der weltweit höchsten Forschungs- und Entwicklungsquote. Die Technion, eine von acht Universitäten des Landes, ist Heimat von gleich drei Nobelpreisträgern. In Sichtweite zu ihrem weitläufig in den Hügeln von Haifa gelegenen Campus für 15.000 Studierende drängen sich in Hightech-Parks in Strandnähe Entwicklungszentren unter anderem von Microsoft, Google, Intel, Yahoo, Philips und Apple. Ein Ausbau dieser Innovationszentren ist in Planung. Eine österreichische Doppelmayr-Seilbahn soll später die High Tech-Parks in Hafennähe mit den 13 Kilometer entfernten Stadtteilen oben in den Hügeln verbinden.

Fakten, die beeindrucken – auch die Teilnehmer der ersten vom Land Steiermark organisierten dreitägigen Delegationsreise nach Israel. Noch bis heute besuchen Vertreter der Grazer Karl-Franzens- und Medizin-Uni, der Forschungsgesellschaft Joanneum Research, des Humantechnologie- und Silicon-Alps-Clusters sowie von steirischen Unternehmen Institutionen aus den Bereichen Humantechnologie, Mikroelektronik und Cybersecurity in Tel Aviv und Haifa.

„Wir wollen von den herausragenden Beispielen hier lernen und mögliche Kooperationsmöglichkeiten ausloten“, umreißen Wirtschafts- und Wissenschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl und Robert Brugger, Geschäftsführer des Internationalisierungscenter Steiermark, das Motiv der Mission, die in eine der seit Jahrzehnten komplexesten geopolitischen Regionen führt.

„Dream big“-Mantra

Es ist eine hybride Mischung aus permanenter Bedrohung und trotzigem Selbstbewusstsein, ehrgeiziger Zukunftsbegeisterung und gleichzeitiger Dauerpräsenz der Geschichte, die die Gesellschaft an diesem Brennpunkt kennzeichnet. Die Israelis selbst, geprägt vom „Dream big“-Mantra ihrer politischen Ikone Schimon Peres, vergleichen ihr Land angesichts der Einbettung in den arabisch dominierten Nahen Osten mit einer „Villa im Dschungel“, brauchen aufgrund dieser isolierten Lage und des überschaubar kleinen Heimmarkts aber die internationale Perspektive. Günther Schabhüttl, seit fünf Jahren österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Israel, wirbt für eine „verlängerte Technologie-Werkbank“.

Kooperationsvertrag unterzeichnet: Vertreter der steirischen Delegation  und der israelischen Shizim-Gruppe
Kooperationsvertrag unterzeichnet: Vertreter der steirischen Delegation und der israelischen Shizim-Gruppe © Klaus Höfler

Ganz einfach sind Geschäftsbeziehungen aber nicht, von der bisweilen robusten Verhandlungsführung konnte sich auch die steirische Delegation überzeugen. Es wurde aber ein Kooperationsabkommen mit der Shizim-Gruppe, einem im Bereich Biomed spezialisierten Start-up-Accelerator, unterzeichnet.