Seit einigen Monaten ist der Meisterbrief nach formellen Kriterien im sogenannten Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) auf einer Stufe mit einem Bachelor-Abschluss zu sehen. Wenn es um die Finanzierung der Ausbildung geht, ortet die Wirtschaftskammer Steiermark aber eine "Diskriminierung". Die finanzielle Gleichstellung im Bildungsbereich sei nicht gegeben, es gebe auch "verfassungsrechtliche Bedenken": Denn während Meister ihre Ausbildung weitgehend selbst bezahlen müssen, zahlt für Studierende bis zum laut NQR "gleichwertigen" Bachelor-Abschluss vorwiegend der Staat, sprich Steuerzahler. "Wir ziehen nicht ins Land, um zu klagen, aber wir wollen einen Diskurs", so der steirische Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk.
Die Interessensvertretung hat - auf Basis von Zahlen aus dem Bildungsministerium - eigenen Angaben zufolge erstmals in Österreich Vergleichszahlen erhoben: 6810 Euro müssen im Schnitt an Kurs- und Prüfungskosten aufgebracht werden, bis ein Facharbeiter seinen Meisterbrief in den Händen halte. Etwa zwei Semester dauert die berufsbegleitende Ausbildung. Ein ordentlicher Student einer steirischen Universität "kostet" dagegen bis zu seinem Bachelor-Abschluss statistisch 102.310 Euro. Berechnet worden sei das anhand der Ausgaben des Bildungsministeriums inkl. Drop-out-Studenten, so die WK.
"Kein Neid oder Angriff auf die Universitäten"
Da seit Herbst vergangenen Jahres der Meister laut Nationalem Qualifikationsrahmen auf einer Stufe mit dem Bachelor steht, wolle man diese Ungleichbehandlung bei der Finanzierung nicht länger hinnehmen: "Das ist kein Neid oder Angriff auf die Universitäten. Es geht nicht darum, dass wir glücklich sind, wenn die anderen auch bezahlen müssen", betonte Herk. Er will eine Diskussion über diese "bildungspolitische Diskriminierung" anstreben. An dessen Ende hoffe er auf eine "finanzielle Gleichstellung gleichwertiger Ausbildung".
Hermann Talowski, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk, betont, dass es um die "Wertigkeit der beruflichen Ausbildung" gehe. Nur ein Meister könne Fachkräfte ausbilden und diese fehlten bekanntlich. Talowski fordert einen „runden Tisch mit Experten und der Bundespolitik“.
"Offenkundige Ungleichbehandlung"
Verfassungsexperte Klaus Poier von der Universität Graz erklärte, dass nach dem Gleichheitsgrundsatz des Artikel 7 in der Bundesverfassung Gleiches gleich behandelt werden muss. Er verstehe die verfassungsrechtlichen Bedenken und spricht von einer "offenkundigen Ungleichbehandlung". Er führte zudem aus: "Wenn die Entwicklung beim fachkräftemangel so weitergeht, wird die Schwelle zur Verfassungswidrigkeit überschritten." Noch sei man aber im "Spielraum". Er würde daher derzeit nicht zu einer Verfassungsklage raten, doch Gespräche mit der Politik und einen gesellschaftlichen Diskurs befürwortet er.