Wer in Schweden als Chef den Mitarbeitern die Kaffeepause verbietet, macht sich schnell unbeliebt. Die „Fika“ genannte kollegial-kollektive Plauderstunde gehört seit 150 Jahren zum soziokulturellen Inventar der Unternehmen und soll schwedische Betriebe nachweislich produktiver machen. Ob das aber auf knallharte Kapsel-Kostenrechnung oder das geschickte Schüren von Mythen zurückgeht, ist den 450 hochtalentierten Fachkräften in Göteborgs Messezentrum aktuell wohl ziemlich egal.
Für sie sind Kaffeepausen ohnehin utopisch. Die Berufs-Europameisterschaft „EuroSkills“ fordert dem betrieblichen Nachwuchs alles ab, an drei Wettkampftagen sind präzise Höchstleistungen gefragt.
„Ich hab ein gutes Gefühl“, erzählt der CNC-Fräser Sandro Zupan. Als einer von 35 Teilnehmern hält der Veldener die österreichische Fahne hoch, viele der heimischen Teilnehmer zählen zu den Favoriten. Hatte er zunächst noch das Gefühl, das aufgegebene Stahlteil – auf der einen Seite soll man die schwedische Flagge, auf der anderen eine Elch-ähnliche Ausformung finden – sei ein „deppertes Teil“, ist er im Laufe des Nachmittags immer besser zurechtgekommen.
Nicht weit entfernt im Erdgeschoß, wo gefühlt an jeder Ecke laut geschraubt, gehämmert oder geschnitten wird, zieht Lisa Janisch blitzschnell ihre feinen Pinselstriche. Gemeinsam mit dem Kärntner Zupan und acht weiteren steirischen Kollegen formt sie die starke Südachse im Österreich-Team. „Wir sind ziemlich im Zeitplan, sie macht das sehr gut“, erzählt Michael Tobisch mit ruhiger Stimme. Selbst Berufsweltmeister, hat er nun den heimischen Nachwuchs unter seinen Fittichen.
"Vorbild für die Zukunft"
Die Bewertung bei den Malern ist vielseitig, neben dem Grundmotiv – die Göteborger Oper – und einer Fläche für „freie Technik“ fließt auch die Leistung in einem 15-minütigen Speedwettbewerb mit ein. Der Aufwand für die Nachwuchsfachkräfte hat’s in sich: Waren es am ersten Tag sieben Stunden, kommen an Tag zwei und drei für die Maler noch einmal elf Arbeitsstunden dazu.
Das Interesse an der internationalen Leistungsschau, die in vier Jahren in Graz über die Bühne geht, ist groß: 22.000 Besucher stürmten die Hallen allein am ersten Wettbewerbstag, am heutigen Finaltag sollen es noch mehr werden. „Wir brauchen euch als Vorbild für die Zukunft“, hatte zuvor Schwedens Premier Stefan Löfven bei der glanzvollen Eröffnungsfeier den Teilnehmern zugerufen und in Zeiten von vielerorts akutem Fachkräftemangel einen Ausweg vorgezeichnet.
Entscheidung am Sonntag
Noch immer durch die Weiten der ersten Ebene streifend, vorbei an den von roter Spezialfolie eingehüllten Schweißern – für Zuseher wird per Video live aus dem Folieninneren übertragen –, kommt man bei den Kfz-Technikern an. Dort hantiert der Weizer Kevin Raith flink an Motorenkomponenten, feierlich umrahmt von zahlreichen Fahrzeugen des Göteborger Herstellers Volvo. Bestehendes, Bewährtes mit frischem Wind anreichern: Mit Symbolen können die Schweden gefühlvoll umgehen.
Auf noch mehr Gefühl treffen Messebesucher im ersten Stock. Dort haben Rezeptionistinnen – in fiktiven Gesprächssituationen und audioverstärkt – das Sagen. Die Köche sorgen indes für wahre Duftnoten. Ein optisches Ausrufezeichen setzt die steirische Floristin Verena Paar, die für eine Puppe ein buntes Halskleid zusammensteckt. Kritisch beäugt vom „Fanclub Team Schweiz“. Nachbarschaftsfreundschaft? Vielleicht wieder ab Sonntag.
Dann wird feststehen, wer die Medaillen abräumt. Ein Tipp für Jubilierende: In Schweden ist es gute Tradition, zu feierlichen Anlässen sieben verschiedene Gebäcksorten anzubieten. „Sju sorters kakor“ nennt sich das dann. Mahlzeit!