Der Begriff LGBT-Marketing hat sogar schon einen eigenen Eintrag in Wikipedia: Er umfasst alle Marketingmaßnahmen, die sich an die Zielgruppe LGBT – insbesondere lesbische und schwule Konsumentinnen und Konsumenten – richten. Neben der Vermarktung von Produkten oder Dienstleistungen kann LGBT-Marketing auch zu Imagezwecken eingesetzt werden, um als "gay-friendly", also modern, zu gelten. Immer mehr Unternehmen setzen auf Produkte bzw. Designs, die für Toleranz stehen und sexuelle Minderheiten ansprechen sollen.

Das Marketingphänomen ist, nur was seine Breite angeht, relativ neu. Nicht aber, was seine Entstehung betrifft. In den 1990ern begann Subaru damit, Autos speziell an Lesben zu vermarkten. Erfolgreich. Die italienische Modemarke Benetton warb 2011 mit Plakaten mit küssenden Männern. Burger King brachte 2014 einen Regenbogen-Burger mit dem Slogan "Im Inneren sind wir alle gleich" auf den Markt. Inzwischen sind längst Ikea, H&M, Calvin Klein, Dr. Martens oder auch Versace auf dem bunten Toleranz-Trip.

Nivea-Creme im neuen Regenbogen-Design
Nivea-Creme im neuen Regenbogen-Design © Nivea

Beim aktuellen Design seiner ikonischen Nivea-Dose setzt nun auch der Kosmetikkonzern Beiersdorf auf die Macht der Regenbogenflagge. Laut eigener Aussage soll die farbige Dose "ein Zeichen für mehr Respekt und Akzeptanz" setzen. Motto: "Jede*r hat das Recht, sich in ihrer/seiner Haut wohlzufühlen." Beiersdorf-Manager Alvaro Alonso: "Mit unserer Limited Edition wollen wir ein Zeichen für eine Welt setzen, in der niemand ausgeschlossen wird, jeder mehr Akzeptanz erfährt und bunte Momente gemeinsam kreiert und erlebt werden können." Auch das Beiersdorf-Produkt Labello bekam ein buntes Kappendesign.

Neues Labello-Kappendesign mit Regenbogen-Herzen
Neues Labello-Kappendesign mit Regenbogen-Herzen © Labello

Anlass für den 8,8 Milliarden-Umsatz-Konzern mit Hauptsitz in Hamburg ist die Regenbogenparade Vienna Pride, die am 17. Juni um den Wiener Ring zieht. Beiersdorf ist offizieller Partner. Überhaupt steht der Juni weltweit im Zeichen des "Gay Pride". Denn 1969 begannen in diesem Monat in New York die sogenannten Stonewall Riots – Aufstände, die auch die Anfänge der LGBT-Bewegung markieren.

Gleichberechtigung mitkonsumieren

Wird homosexuelle Liebe zum Wirtschaftsfaktor? Das Ringen um die Gleichberechtigung der LGBT-Community hat nachweislich Auswirkungen auf Kaufentscheidungen – vor allem bei jüngeren Generationen. Bereits 2014 gaben bei einer Google-Studie 45 Prozent der Befragten unter 34 Jahren an, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederholt bei einem LGBT-freundlichen Unternehmen einkaufen würden. 54 Prozent gaben an, Unternehmen vorzuziehen, die Gleichberechtigung unterstützen.

"Rendite mit Regenbogen", schreibt das "Handelsblatt", gilt die Kaufkraft der queeren Gemeinschaft doch als überdurchschnittlich hoch: viele Besserverdiener, aktives Freizeitverhalten, Konsumfreude, Feierlaune, Reiselust. Der britische Marktforscher LGBT-Capital schätzt das "rosa Geld" der Welt auf 3,7 Billionen Dollar im Jahr, jenes in Europa auf 950 Milliarden Dollar. 

Steckt wirklich nur ein guter Wille dahinter?

Bud Light
Bud Light © AP

Auf der anderen Seite des Regenbogens stehen für die Unternehmen etwaige Streuverluste ihrer Werbung und Irritationen durch ihre Kampagnen. Eine Werbekampagne für das Diät-Budweiser-Bier Bud Light in Kooperation mit Transgender-Influencerin Dylan Mulvaney hat in Amerika zuletzt zu Hassattacken gegen die Biermarke und den 26-jährigen LGBT-Star geführt, mithin einen regelrechten Kulturkampf zwischen Liberalen und Konservativen ausgelöst. Die US-Einzelhandelskette Target musste einige Produkte zur Unterstützung von queeren Menschen wieder aus ihrem Sortiment nehmen, weil Mitarbeiter bedroht worden waren. Darunter eine Tasse mit dem Aufdruck "Gender Fluid", was eine flexible Geschlechtsidentität umschreibt, nebst etlichen anderen Produkten in Regenbogenfarben.

Regenbogen-Produkte bei Target
Regenbogen-Produkte bei Target © AP

Für die Kunden ihrerseits ist es oft schwer zu erkennen, ob sich die Firmen ernsthaft für mehr Vielfalt engagieren oder nur ihren Umsatz bzw. Marktwert damit steigern wollen. Solch unauthentische Anstrengungen werden als Pinkwashing oder Rainbow Washing kritisiert.