Von "Tipping Culture" spricht man in den USA, wo Trinkgelder kein nettes Extra, sondern eine Säule des Geschäftsmodells und ein Teil des Lohnes sind. Auf der Rechnung wird dort selbstverständlich – so wie in unseren Breiten die Mehrwertsteuer - das Trinkgeld ausgewiesen. Automatisch. Gerade haben die amerikanischen Kreuzfahrtriesen Carnival und NCL das (fixe) Trinkgeld erhöht. Das Servicepersonal könnte sich den Job vielfach gar nicht leisten, bekäme es nur den bloßen Stundenlohn.
Nun schwappt dieses Modell auch nach Europa. Die Falkensteiner-Gruppe, die in Kärnten fünf Hotels plus die Apartments Edelweiß am Katschberg betreibt, eines in der Steiermark, eines im Burgenland, eines in Oberösterreich und eines in Vorarlberg, führt ein Trinkgeld von zehn Euro pro Tag und Zimmer ein, das automatisch auf der Zimmerrechnung steht. Selbstverständlich könne man das ablehnen, oder aber auch mehr geben, sagt Sprecherin Alexandra Geyer. "Es bleibt also freiwillig. Und wir informieren den Gast darüber bei der Buchung, beim Check-in und beim Check-out." Freilich sei jenes Trinkgeld kein Gehaltsbestandteil. Man sehe einfach, dass kaum noch jemand bar zahlt – und mit der Kartenzahlung das Trinkgeld schwinde. Das Falkensteiner-Modell ist ein Test am österreichischen Markt, wo so etwas steuerrechtlich möglich sei.
"Für mich ist das ein Novum"
"Für mich persönlich ist es ein Novum", sagt Kärntens Hotelierssprecher Sigi Moerisch. "Ich kenne das automatische Trinkgeld nur aus dem angloamerikanischen Raum."
Zwar sei das Trinkgeld für die Belegschaft relevant. "Der Gast hat damit die Freiheit, aus seinem subjektiven Verständnis eine außerordentliche Dienstleistung oder Qualität zu belohnen. Eine 08/15-Leistung aber nicht. Das Trinkgeld sollte freiwillig sein, und keine Verpflichtung." Trinkgeld als Sondervergütung. Und doch räumt der Hotelier ein, dass er in seinem eigenen Haus in Seeboden am Millstätter See eine neue (leere) Zeile auf dem Zahlungsbeleg eingezogen hat. "Hier kann der Gast, auch wenn er mit Karte zahlt, das Trinkgeld notieren, das dann über die Karte abgebucht wird." Denn fix ist: Der Anteil derer, die die Rechnung genau begleichen, ist bei Kartenzahlern höher als bei Barzahlern.
Bedenken, ob das Trinkgeld auch bei Kartenzahlung beim Personal ankommt, seien unbegründet. Außerdem kann man trotz Kartenzahlung das Trinkgeld immer noch in bar geben.
"Ich halte das Falkensteiner-Modell für mutig, es könnte zu einem Vorreiter in Österreich werden, zu einem Zukunftsmodell – allerdings weniger günstigere Anbieter", sagt der steirische Hoteliers-Obmann Alfred Grabner. Allerdings sei es ein "gefährliches Spiel mit dem Kunden". "In jedem Fall gehört es dem Gast bereits bei der Angebotsstellung kommuniziert – ähnlich, wie bei der Tourismusabgabe. Damit es am Ende nicht versteckte Kosten sind."