Es hat sich bei den großen Herstellern von Smartphones eine Art Ritual entwickelt. Jeder stellt sein aktuelles Top-Gerät in einem anderen Monat vor. Samsung im Februar und August, Apple im September und Huawei im März und im November. Und so war auch heuer eine große Show in Paris geplant, bei dem das P40 vorgestellt wird. Aus dem Event wurde ein Live-Stream, wie so oft während der Coronakrise.
Die P-Reihe gehört bei Huawei seit jeher zu den Verkaufsschlagern. Dementsprechend versucht der Konzern stets, seine beste Technologie in das Gerät zu packen. Schon vor einigen Jahren hat Huawei erkannt, dass besonders die Qualität der Fotos beim Kauf eine besondere Rolle spielt. Ganz früh setzte der chinesische Smartphone-Bauer auf den Einsatz mehrerer Kameras und hat dafür auch einen eigenen Prozessor entwickelt.
Fotos in Profi-Qualität
So überrascht es nicht, dass auch die P40-Reihe mit mehrfach-Kameras ausgerüstet ist. Je nach Ausstattung sind es drei oder vier Linsen, die gleichzeitig Bilder aufnehmen, die dann vom Kirin-Prozessor zu einem Foto zusammengefügt werden. Dabei bietet Huawei eine maximale Auflösung von 50 Megapixel auf der Rückkamera.
Schon die Vorgängermodelle konnten bei der Bildqualität absolut überzeugen und so überrascht es nicht, dass auch das P40 in der Pro-Variante gestochen scharfe Fotos macht. Auch bei Gegenlicht, in der Nacht und am Abend werden die Fotos sehr gut - vorbei die Zeiten von rauschenden Nachtfotos. Mit zahlreichen Filtern lassen sich die Bilder noch stimmungsvoll aufpeppen.
Was schon überrascht ist allerdings die Frontkamera. Huawei platziert auch hier zwei Kameras - außer im Lite-Model. Höchstauflösung beim Huawei Pro sind 32 Megapixel. Zumindest bei Tageslicht sind die Bilder daher extrem detailgenau. Das geht so weit, dass selbst jedes einzelne graue Haar sichtbar wird. Hier schießt Huawei über das Ziel hinaus. Nicht alles, was möglich ist, ist auch sinnvoll.
Diese ganze Technik mitsamt dem 6,54 Zoll Display benötigt einiges an Strom. Und so liefert Huawei auch Akkus mit 4200 mAh aus. Damit kommt das Huawei P40 Pro auf 203 Gramm - es ist also alles andere als ein Leichtgewicht.
Die Sache mit den Apps
Unbestritten: Die Kameras sind wirklich gut. Und auch bei den anderen technischen Daten kann das Gerät mit den Spitzen-Smartphones Wettbewerber mithalten. Es wird dennoch wohl ein teurer Ladenhüter. Und das hat einen Grund: Donald Trump.
Huawei baut neben Smartphones nämlich auch technische Infrastruktur, sprich Mobilfunkantennen. Und im Handelskonflikt zwischen China und den USA hat sich US-Präsident Trump daher Huawei als eines seiner Ziele ausgesucht. Der Konzern wurde mit schweren Sanktionen belegt, die im Mai 2020 erneuert und verschärft wurden. Das bedeutet nicht nur, dass Huawei in den USA keine Geschäfte machen kann. Auch US-Firmen dürfen nicht mit Huawei zusammenarbeiten. Und das betrifft auch die Android-Mutter Google.
Und so basiert das neue Betriebssystem von Huawei zwar auf der Open-Source-Variante von Android, sprich es funktionieren alle Android-Apps. Aber das P40 hat keinen einzigen Google-Service installiert. Kein Youtube, kein Google Maps oder Gmail. Noch schwerwiegender ist allerdings das Fehlen des Google Play Stores, also jener App, mit der alle anderen Apps installiert werden.
Huawei bietet als Alternative die AppGallary, die in China schon seit Jahren eingesetzt wird. Allerdings finden sich sehr viele der populären Apps nicht in diesem alternativen App-Store. Sowohl Facebook als auch WhatsApp müssen direkt von den Webseiten der Anbieter geladen werden. Zahlreiche Spiele wie Minecraft oder Terraria sind auch nicht verfügbar. Und wer auf seinem alten Smartphone Apps oder Spiele gekauft hat, kann ebenfalls nicht auf diese zugreifen. Es gibt Tricks und Kniffe, wie man die Google-Dienste auf dem P40 zum Laufen bringt. Doch die sind nur etwas für Profis.
Nokia-Schicksal
Insgesamt erinnert die P40-Reihe etwas an die frühen Tage von iPhone und Android, an die Tage als Nokia noch eine Größe am Markt war. Der finnische Handyhersteller hatte damals mit dem N96 oder dem N9 Geräte im Angebot, die den frühen iPhones oder Androiden rein technisch weit überlegen waren. Die Prozessoren waren besser, die Geräte hatten mehr Speicher und eine bessere Kamera. Warum ist Nokia dennoch als Smartphone-Hersteller untergegangen: Es gab keinen vernünftigen App-Store und nur sehr wenige Apps.
Das Fazit: Wer auf Apps pfeift und ein großartiges Foto-Smartphone haben will, findet in der Huawei P40-Reihe ein wirklich gutes Angebot. Wer aber seine gewohnten Apps nutzen möchte, sollte sich doch bei einem anderen Hersteller umschauen. Auch andere Smartphones machen gute Bilder.
Roman Vilgut