Vor allem der Handelskonflikt zwischen den USA und China könne jederzeit für neue Turbulenzen sorgen, sagt Carsten Mumm, Chef-Analyst der Privatbank Donner & Reuschel. Der Streit drehe sich nämlich nicht nur um Zölle.
"Vielmehr stehen Technologieführerschaften, offene Marktzugänge, der Schutz geistigen Eigentums, staatliche Unterstützung von Unternehmen und schließlich die anstehende Neuordnung der globalen wirtschaftlichen Rangordnung auf dem Spiel", führt Mumm aus.
"Restrisiko deutlich gestiegen"
"Unser Grundgedanke bleibt, dass die USA und China ein Handelsabkommen abschließen werden, da beide Länder dies benötigen", sagt Fabiana Fedeli, Aktienchefin beim Vermögensverwalter Robeco. "Allerdings ist das Restrisiko, dass eine Einigung nicht zustande kommt oder sich deutlich verzögert, deutlich gestiegen." Dies würde die Konjunktur dämpfen und gleichzeitig die Inflation in die Höhe treiben, was die US-Notenbank (Fed) zu Zinserhöhungen zwingen würde, ergänzt Fedeli.
In der ablaufenden Woche verhalfen Spekulationen auf eine Entspannung in dem Streit dem DAX zu einem Kursplus von knapp eineinhalb Prozent auf etwa 12.200 Punkte. Wenn sich der Leitindex über der Marke von 12.180 Zählern halten könne, habe er Luft für eine Rally von mehreren Hundert Punkten, sagt Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets.
Steigende Verunsicherung
China rief die USA am Wochenende zur Mäßigung auf. Außenminister Wang Yi habe in einem Telefonat mit seinem US-Kollegen Mike Pompeo Zurückhaltung gefordert, teilte das Außenministerium in Peking mit. Die jüngsten Beschlüsse der US-Regierung hätten den Interessen Chinas und seiner Wirtschaft geschadet. Wang habe erklärt, die USA dürften nicht "zu weit" gehen.
An den Börsen werfen ferner die Europawahlen ihre Schatten voraus. Ein Erfolg der rechtspopulistischen italienischen Lega könnte zu einem Bruch der Regierungskoalition in Rom und zu Neuwahlen führen, prognostiziert Volkswirt Reto Cueni vom Vermögensverwalter Vontobel. "Das wäre wohl längerfristig gut für Italiens Wirtschaft, dürfte aber kurzfristig die Unsicherheit erhöhen."
Stabilisierung erwartet
Auch Großbritannien steht Experten zufolge vor einem Regierungswechsel, sollte die Konservative Partei von Premierministerin Theresa May wie in Umfragen vorhergesagt bei der Europawahl eine krachende Niederlage einstecken müssen. "Es erscheint immer wahrscheinlicher, dass May ohne Neuwahlen durch einen Brexit-Befürworter ersetzt wird", sagt Adam Cole, Chef-Anlagestratege für Devisen bei der Investmentbank RBC Capital Markets. "Dies erhöht automatisch die Wahrscheinlichkeit eines 'No Deal'-Brexit."
Nachdem die Bilanzsaison weitgehend ausgelaufen ist, wenden Anleger ihre Aufmerksamkeit nun den Hauptversammlungen zu. Mit Spannung warten sie auf das voraussichtlich hitzige Aktionärstreffen der Deutschen Bank am Donnerstag. Stimmrechtsberater empfehlen den Eignern, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern. Das wäre eine Ohrfeige für die Führung um Bankenchef Christian Sewing - allerdings ohne rechtliche Folgen.
Bei den Konjunkturdaten richtet sich der Blick der Anleger unter anderem auf den Ifo-Index am Donnerstag, der die Stimmung in den deutschen Chef-Etagen widerspiegelt. Analysten rechnen nach dem Rückgang des Barometers in den vergangenen Monaten nunmehr mit einer Stabilisierung. Der europäische Einkaufsmanager-Index (ebenfalls Donnerstag) werde voraussichtlich ein anhaltendes moderates Wachstum signalisieren, prognostiziert Commerzbank-Analyst Christoph Weil.