Deutschland soll nach dem Willen der von der Regierung eingesetzten Kohlekommission bis spätestens Ende 2038 die Stromgewinnung aus Kohle beenden. Darauf einigte sich das 28-köpfige Gremium am frühen Samstagmorgen bei nur einer Gegenstimme, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Vorausgegangen war eine Marathonsitzung von fast 21 Stunden.
Bei den Verhandlungen war lange Zeit insbesondere umstritten, bis wann und in welchen Schritten die Stromgewinnung aus Kohle in Deutschland enden soll. Es ging aber auch noch ums Geld. Die Industrie wollte Milliarden-Zusagen, um sich gegen steigende Strompreise abzusichern, die Kohleländer Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt wollten verbindliche Zusagen für Unterstützung beim Strukturwandel.
Milliardenzahlungen an Bundesländer
Allerdings kann die von der Regierung eingesetzte Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" nur Vorschläge machen, die Umsetzung ist Sache der Politik. Sinn der Kommission ist, einen breiten Konsens herzustellen, ähnlich wie beim Atomausstieg. In dem 28-köpfigen Gremium sind Vertreter von Industrie, Gewerkschaften, Umweltverbänden und Wissenschaft. Für Beschlüsse ist eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig.
Die vom Kohleausstieg betroffenen deutschen Bundesländer sollen bis 2038 pro Jahr zwei Milliarden Euro vom Bund erhalten. Zahlungen von 1,3 Milliarden Euro jährlich sollen in einem Maßnahmengesetz verankert werden, weitere 700 Millionen Euro für weitere, flexible Maßnahmen der Strukturförderung bereitgestellt werden, sagte der Kohlekommissions-Kovorsitzende Stanislaw Tillich am Samstag in Berlin.
Die Kohlekommission sieht bei neuen Jobs in den von einem Kohleausstieg betroffenen Regionen ebenfalls den Bund in der Pflicht. Die Schaffung von insgesamt bis zu 5000 neuen Arbeitsplätzen durch den Bund bis spätestens 2028 sei "angemessen", wie es im Abschlussbericht des Gremiums heißt.
"Schlechter Klimaschutz besser als gar keiner"
Die großen Umweltverbände haben den in der Kohlekommission ausgehandelten Kompromiss zum Ausstieg aus der Kohleverstromung als "Durchbruch" begrüßt. Allerdings gab es auch Kritik an dem nach Auffassung der Verbände zu späten Enddatum 2038 und an fehlenden präzisen Zeitplänen für die einzelnen Jahre bis 2030.
"Wir hätten uns ein deutlich ehrgeizigeres Ergebnis gewünscht", sagte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert. Auch schlechter Klimaschutz sei "besser als gar kein Klimaschutz". Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser hob hervor, dass sich die Verbände in einem Sondervotum ausdrücklich gegen den Endtermin 2038 für die Kohleverstromung gestellt hätten, da dieser nicht mit dem Pariser Klimaschutzabkommen vereinbar sei. Positiv sei aber das auch internationale Signal: "Das Industrieland Deutschland steigt aus der Kohleverstromung aus."
Die Atomkraftwerke gehen in Deutschland bis 2022 vom Netz. Auch der Anteil des Kohlestroms nimmt schon ab. Allerdings muss der Kohleausstieg und damit der Umstieg auf Ökostrom beschleunigt werden, weil Deutschland sonst nationale und internationale Klimaziele verpasst. Bis 2050 soll der Ausstoß an Kohlendioxid (CO2), dem wichtigsten Treibhausgas, um 80 bis 95 Prozent unter dem Wert von 1990 liegen. Da auch in anderen Sektoren dafür auf Strom statt auf Kohle, Öl und Gas gesetzt werden muss, gewinnt die Stromerzeugung zusätzlich an Bedeutung.