Der Pilotenstreik bei Ryanair in mehreren europäischen Ländern trifft am Freitag rund 55.000 Passagiere - davon 42.000 allein in Deutschland. Die irische Gesellschaft hat jeden sechsten ihrer rund 2.400 geplanten Europa-Flüge abgesagt, weil in Deutschland, Belgien, Schweden, Irland und den Niederlanden die jeweiligen Pilotengewerkschaften ihre Mitglieder zu 24-Stunden-Streiks aufgerufen haben.
Der morgige Streik der deutschen Ryanair-Piloten trifft auch die österreichische Tochter Laudamotion: Mehr als 20 Flüge ab Deutschland, die Ryanair für Laudamotion durchführt, werden am Freitag gestrichen. Österreich-Verbindungen seien nicht betroffen, heißt es von Laudamotion zur APA. Die betroffenen Passagiere seien informiert worden.
Frühflüge ab Frankfurt gestrichen
Von den rund 400 Flugabsagen betreffen 250 die in Deutschland stationierten Maschinen und Crews. Die Auswirkungen des auf 24 Stunden begrenzten Streiks werden an den deutschen Flughäfen voraussichtlich vor allem in der Früh und ab dem Nachmittag zu spüren sein. So wurde beispielsweise an der größten deutschen Ryanair-Basis in Frankfurt das komplette Frühprogramm für den Freitag gestrichen. Der Hunsrück-Flughafen Hahn hatte am Donnerstagvormittag auf seiner Webseite fünf Flugstreichungen gezeigt, die Flüge aber später ganz vom angezeigten Plan heruntergenommen.
Nicht vom Streik betroffen sind Passagiere in Baden-Württemberg, weil sich dort die Piloten der einzigen Maschine in Baden-Baden nicht an dem Streik beteiligen. Neben Frankfurt sind Berlin und Weeze in Nordrhein-Westfalen die größten Ryanair-Basen in Deutschland.
Umbuchung oder Geld zurück
Gleichwohl soll es an deutschen Flughäfen Starts und Landungen von Ryanair-Maschinen geben, die dann aus nicht bestreikten Ländern kommen. Rund ein Drittel der deutschen Passagiere werde so bedient, hat das Unternehmen angekündigt. Die von den Flugabsagen betroffenen Kunden sollten individuell informiert werden. Sie können umbuchen oder den Flugpreis zurückerhalten. Darüber hinausgehende Entschädigungen will die Airline nicht bezahlen.
Ryanair habe offenbar mit massiven Ausfällen gerechnet und daher lieber gleich das gesamte Programm der deutschen Crews abgesagt, erklärte ein Sprecher der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) am Donnerstag in Frankfurt. Das sei für das Unternehmen offenbar einfacher zu behandeln. Am Samstag soll der Betrieb wieder wie gewohnt laufen, hatte Ryanair angekündigt. Der Streik endet offiziell um 02.59 Uhr. Weitere Arbeitskämpfe hat die VC nicht ausgeschlossen, will sie aber weiterhin mit einem Vorlauf von mindestens 24 Stunden vorher ankündigen.
Auch in den Niederlanden
Niederländische Ryanair-Piloten dürfen wie geplant am Freitag streiken. Das entschied ein Gericht in Haarlem am Donnerstagabend und wies damit die Forderung der irischen Fluggesellschaft nach einer einstweiligen Verfügung zurück. Die Pilotengewerkschaft der Niederlande hatte einen eintägigen Streik für Freitag angekündigt, um einen Tarifvertrag mit besseren Arbeitsbedingungen zu erzwingen. Die irische Billigfluggesellschaft wollte dies vor Gericht verhindern und ein Streikverbot für die gesamte Sommerperiode erreichen
Die abgestimmte Aktion ist der bis jetzt größte Pilotenstreik in der Geschichte der größten Billig-Airline Europas, die erst seit Ende 2017 Gewerkschaften anerkennt. Vor zwei Wochen hatten zudem Flugbegleiter in Portugal, Spanien und Belgien über zwei Tage zusammen rund 600 Flüge mit knapp 100.000 betroffenen Passagieren ausfallen lassen. Unter den europäischen Piloten haben bisher einzig die Iren an vier einzelnen Tagen die Arbeit niedergelegt. Ryanair hatte daraufhin den Abzug von sechs Jets samt 300 Arbeitsplätzen nach Polen angekündigt.
Gewerkschaften und Ryanair beschuldigen sich gegenseitig, die seit rund sechs Monaten laufenden Verhandlungen zu blockieren. Die VC will bei der irischen Gesellschaft erstmals ein System aus Vergütungs- und Manteltarifvertrag etablieren und zieht dafür andere Fluggesellschaften als Muster heran. In den Vorschlägen sind zahlreiche Details etwa zu Dienstzeiten, Versetzungen oder Fixanteilen des Gehalts enthalten. Ryanair verweist auf vergleichsweise hohe Endgehälter ihrer Kapitäne und Copiloten. Das Unternehmen will keine Vereinbarungen treffen, die sein Niedrigkostenkonzept in Frage stellen würden.