Österreichs Wirtschaft wächst heuer selbst für die Experten unerwartet stark. Deshalb haben Wifo und IHS ihre Konjunkturprognose deutlich nach oben gesetzt. Angetrieben wird die Konjunktur von der exportorientierten Sachgütererzeugung - und es wird deutlich mehr investiert. Zugute kommt all das auch den Arbeitnehmern, denn die Arbeitslosigkeit sinkt 2017/18 stärker als zuletzt angenommen.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hat die BIP-Prognose für heuer von 2,0 Prozent im März auf nunmehr 2,4 Prozent angehoben - und auch das Institut für Höhere Studien (IHS) ist mit 2,2 Prozent Wachstumserwartung für 2017 viel optimistischer als im Frühjahr, als man lediglich 1,7 Prozent Plus vorhergesagt hat.
Damit liegt die heimische Wirtschaftsdynamik erstmals seit dem Jahr 2013 wieder über jener des Euroraums, in dem das Bruttoinlandsprodukt heuer laut Wifo um 2,1 und laut IHS um 1,9 Prozent wachsen soll.
Für 2018 hat das Wifo die Prognose für den realen BIP-Anstieg in Österreich von 1,8 auf 2,0 Prozent erhöht, das IHS von 1,5 auf 1,7 Prozent. Voriges Jahr ist die heimische Wirtschaft nach Einschätzung beider Institute um 1,5 Prozent gewachsen.
Stärkstes Beschäftigungsplus seit 2011
Optimistischer stimmt die Konjunkturexperten jetzt vor allem der gute Start ins heurige Jahr. Denn Österreich verzeichnete Anfang 2017 mit 0,7 Prozent realem BIP-Plus gegenüber dem Vorquartal das kräftigste Wachstum seit sechs Jahren - gepusht durch starke Exportsteigerungen aufgrund der beschleunigten Welthandelsdynamik. Das kräftige Wachstum dürfte sich im 2. und 3. Quartal fortsetzen, erklärte das Wifo am Donnerstag.
Die vorerst ungebrochene Expansion, die sich erst in einem halben Jahr etwas abschwächen dürfte, sorgt für eine vor kurzem noch nicht für möglich gehaltene Entspannung bei den Jobs. Laut Wifo verzeichnet Österreich heuer den deutlichsten Rückgang der Arbeitslosigkeit seit 2010, und schon seit Anfang 2017 gibt es das stärkste Beschäftigungsplus seit 2011.
Nach 9,1 Prozent im vorigen Jahr soll die Arbeitslosenrate nach nationaler Rechnung heuer laut Wifo statt auf 8,9 gleich auf 8,6 Prozent sinken und 2018 dann weiter auf 8,4 Prozent zurückgehen. Auch das IHS ist entsprechend zuversichtlich und sieht 2017 im Gesamtjahr lediglich 8,6 Prozent Arbeitslosigkeit statt 9,1 Prozent, wie im März gedacht; 2018 sollen es nur 8,4 Prozent sein.
Warnung vor Polit-Geschenken
Die Chefs von Wirtschaftsforschungsinstitut und Institut für Höhere Studien (IHS) warnen die Politik vor den Nationalratswahlen vor nicht gegenfinanzierten Ruck-Zuck-Beschlüssen und auch vor "Wahlgeschenken". Wifo-Chef Christoph Badelt kritisierte am Donnerstag etwa den jüngsten Parlamentsbeschluss für ein höheres Uni-Budget.
Es gehe ihm vor allem um das "Ausgabenverhalten der Regierung in den letzten Tagen", selbst wenn durchwegs vernünftige Dinge beschlossen würden - ohne dass jedoch zugleich auch deren Gegenfinanzierung fixiert werde. "Es braucht auch eine Lösung der strukturellen Probleme der Unis", so Badelt, der von 2002 bis 2015 WU-Rektor war.
Ein derartiges Hinterlassen von "ungelösten ökonomischen Problemen" habe man schon am Regierungsprogramm kritisiert, "jetzt geht es noch über das Regierungsprogramm hinaus". Werde die Gegenfinanzierung nicht gleichzeitig beschlossen, könnte es womöglich zu einer Defizit-Erhöhung führen, meinte der Wifo-Leiter.
Auch IHS-Chef Martin Kocher "warnte" bei der Vorlage der neuen vierteljährlichen Konjunkturprognose der beiden Institute ausdrücklich davor, "die Zeit bis zur Wahl für Wahlgeschenke zu verwenden".
"Grundlegende Abgabenreform notwendig"
Der neuen Regierung, die sich nach den Nationalratswahlen vom 15. Oktober formieren wird, schrieben Kocher und Badelt schon eine To-Do-Liste ins Stammbuch. Der IHS-Chef wünscht sich vor allem Maßnahmen zur Verbesserung des Standorts (Bürokratieabbau, effiziente Verwaltung), eine Staatsorganisations-Reform sowie eine "sinnvolle Steuerreform", wobei er eine effizientere Einnahmenseite, eine Senkung der Abgabenquote und eine Adaptierung der Steuerstruktur nennt, denn die jetzige entspreche nicht mehr den Anforderungen. Obwohl er nur drei Wünsche freihat, reicht Kocher noch eine "Digitalisierungsstrategie" nach, denn "Tablets in den Schulen sind nicht genug".
Wifo-Chef Badelt kann "das alles unterschreiben", ihm geht es aber mehr um Formales bzw. Prozedurales. Er fragt sich, was die künftige Regierung anders tun müsste, damit solche Vorschläge auch angegangen werden. Und er lehnt gegenseitiges Bewerfen mit Schlagworten ab, die die jeweils andere Seite ablehne: "Mit den Vorschlägen der Gegenseitige sollte man sich per Verfassungsgesetz beschäftigen müssen, das würde ein Verfassungsgerichtshof nicht aufheben."
Zudem sei "eine grundlegende Abgabenreform" nötig, "inklusive Sozialversicherung", wobei die Abgabenquote gesenkt und die Abgabenstruktur verändert werde. Auch hier dürfe es nicht um ein "Schlagworte-Spiel" gehen, "denn sonst kommt nix raus, allenfalls eine Tarifreform", so Badelt.
Zu allen Reformen wäre es nach Meinung von IHS-Chef Kocher sinnvoll, "Gesamtkonzepte zu entwickeln" und diese "als Ganzes zu diskutieren und nicht einzelne Bestandteile". Das habe sich schon in den 1990er-Jahren beim Thema Pensionsreform bewährt. Gegen die Übertragung solcher Entscheidungen an einen Expertenrat spricht sich Wifo-Chef Badelt aus; die Verantwortung dafür sollte schon die Politik selbst tragen, gibt er zu verstehen.