Ende Mai 2016 hat die Bundesregierung bekanntgegeben, die Gewerbeordnung umkrempeln zu wollen. Nun, mehr als ein Jahr und eine Regierungskrise später, sind die Verhandlungen abgeschlossen. Damit kann eine Reform der Gewerbeordnung am morgigen Donnerstag zumindest mit Stimmen von SPÖ und ÖVP im Nationalrat beschlossen werden. Das Gesetz soll ab 1. Mai 2018 gelten.
REGLEMENTIERTE GEWERBE: Aus 80 werden 75. Arbeitsvermittlung und Erzeugung von kosmetischen Artikeln kommen zu den freien Gewerben. Der Rest der Reduzierung erfolgt über die Zusammenlegung verschiedener Textilgewerbe.
FREIE GEWERBE: Der allergrößte Teil der Teilgewerbe wird zu freien Gewerben. Hier kommt es zur sogenannten "Single License". Mit einem Gewerbeschein kann man alle freien Gewerbe ausüben. Nicht zuletzt um gegen Pfusch vorzugehen, werden Betonschneiden, Betonbohren und Erdbau aber dem reglementierten Baugewerbe zugeordnet.
NEBENRECHTE: Diese werden für reglementierte und freie Gewerbe ausgeweitet. Bei den reglementierten Gewerben können auftragsbezogen 15 Prozent in anderen reglementierten Gewerben erwirtschaftet werden, ohne dass man eine zusätzliche Gewerbeberechtigung braucht. In den freien Gewerben können bis zu 30 Prozent des Jahresumsatzes in anderen freien Gewerben gemacht werden. Übersteigt man 30 Prozent, reicht eine Meldung im Online-Gewerberegister GISA, es wird aber eine weitere Kammerumlage fällig, auch wenn es die "Single License" gibt.
ANLAGENRECHT: Die Verfahren werden entbürokratisiert und schneller. Die maximale Verfahrensdauer sinkt von derzeit sechs auf vier Monate. Anlagenwerber können künftig nicht-amtliche Sachverständige heranziehen. Betriebsanlagengenehmigungen bei vorübergehende Anlagen - etwa eine Theke des Gasthauses für ein Fest im Freien - fallen weg. "Beraten vor strafen" wird im Betriebsanlagenbereich etabliert. Für Änderungen in Richtung eines "One-Stop-Shops" im Betriebsanlagenrecht haben die Regierungsparteien weder FPÖ noch Grüne für eine notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit überzeugen können.
BEHERBERGUNGSBRANCHE: Im Gewerbe "Beherbergung von Gästen" können künftig Zusatzdienstleistungen wie Ausflüge, Wellnessdienstleistungen, Ticketverkäufe, Abholfahrten und Ähnliches angeboten werden.
Kein "One Stop Shop"
Nicht einigen konnten sich SPÖ und ÖVP entweder mit der FPÖ oder den Grünen für gewissen Änderungen im Betriebsanlagenrecht (Stichwort: One Stop Shop) für die es eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht. Trotzdem beinhaltet die Reform aber zahlreiche Erleichterungen im Betriebsanlagenrecht, wie die beiden Regierungsparteien am Mittwoch in einer Aussendung betonten.
Grüne und NEOS wollen nur 65 reglementierte Gewerbe
Die beiden Oppositionsparteien Grüne und NEOS sehen in den SPÖ-ÖVP-Plänen zur Reform der Gewerbeordnung nur einen Minimalkonsens. Die beiden Fraktionen werden morgen daher einen Abänderungsantrag im Nationalrat einbringen. Darin fordern sie, dass die Zahl der regulierten Gewerbe von 80 auf 65 sinken soll, wie sie am Mittwoch mitteilten.
"Mit unserem gemeinsamen Abänderungsantrag wollen Grüne und NEOS die Gewerbeordnung viel umfangreicher entrümpeln als die SPÖ-ÖVP-Regierung", so der grüne Selbstständigensprecher Matthias Köchl und NEOS-Chef Matthias Strolz.
"Die Gewerbeordnung benötigt eine grundlegende Neukonzeption und Trennung in Berufs- und Anlagenrecht um lebbar, lesbar und unternehmerfreundlich zu werden", sind sich die beiden Politiker einig. "Bis diese grundlegende Reform angegangen wird, können aber unmittelbar jene Gewerbe freigegeben werden, von denen kein relevantes Risiko für Gesundheit, Umwelt oder das Vermögen der Kunden ausgeht." Als könne man schon jetzt, von der Zahl 80 ausgehend, 15 Gewerbe liberalisieren, so Strolz und Köchl.
"Darf nicht zur Mogelpackung verkommen"
"Wir müssen größere Schritte nehmen, um den Klientelismus von SPÖ und ÖVP endlich zu beenden und die Gewerbeordnung ins 21. Jahrhundert zu holen", so Strolz. "Die Freigabe der 'Arbeitsvermittlung' und der 'Erzeugung von Kosmetischen Artikeln' aus der Grünen Vorschlagsliste ist nur der Minimalkonsens zwischen SPÖ und ÖVP", so Köchl. Die drei weiteren regulierten Gewerbe, die das Sinken der derzeitigen Zahl von 80 auf 75 laut den Plänen der Regierung erlauben, ist das zusammenlegen von drei Textilgewerben (u. a. Kürschner) zu einem einzigen Textilgewerbe. "Es ist absurd, dass SPÖ und ÖVP nur zwei Gewerbe befreien wollen", so Strolz.
Köchl begrüßt immerhin die Einigung auf eine "Single License" bei den freien Gewerben. Diese dürfe aber nicht zu einer "Mogelpackung" verkommen, bekräftigt Köchl die Grünen-Forderung einer Deckelung der Grundumlage auf maximal 100 Euro pro Gewerbeberechtigung.