Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt vor der Stichwahl in Frankreich auf Billiggeld-Kurs. Banken bekommen frisches Zentralbankgeld weiterhin zu 0,0 Prozent Zinsen. Der Rat der Notenbank hielt den Leitzins im Euroraum bei seiner Sitzung am Donnerstag in Frankfurt wie erwartet auf diesem Rekordtief.
Volkswirte hatten nicht mit einer Änderung gerechnet - auch wegen der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen im Nachbarland.
Parken Finanzinstitute überschüssiges Geld bei der EZB, müssen sie dafür nach wie vor 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen. Zugleich kauft die Notenbank weiterhin monatlich Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Milliardenvolumen.
Es sei unwahrscheinlich, dass die Notenbank zwischen der ersten und zweiten Runde der Abstimmung in Frankreich etwas unternehme, dass die Markterwartungen beeinflussen könnte, argumentierte ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Eine Stichwahl zwischen dem europafreundlichen Emmanuel Macron und der Rechtspopulistin Marine Le Pen entscheidet am 7. Mai über die politische Zukunft der zweitgrößten Volkswirtschaft des Euroraums.
EZB-Präsident Mario Draghi hatte jüngst Hoffnungen auf einen baldigen Ausstieg aus der vor allem in Deutschland umstrittenen ultralockeren Geldpolitik gedämpft. Obwohl die wirtschaftliche Erholung zunehmend auch auf eigenen Beinen stehe, sei es "zu früh, Erfolg auszurufen", sagte Draghi Anfang April. Die Inflationsdynamik sei "weiterhin abhängig von der Fortsetzung unserer aktuellen Geldpolitik."
Im März schwächte sich die Jahresinflationsrate im Euroraum nach Angaben der Statistikbehörde Eurostat auf 1,5 Prozent ab. Im Februar hatte sie getrieben von höheren Energiepreisen noch bei 2,0 Prozent gelegen. Die EZB strebt einen Wert von knapp unter zwei Prozent an.
Im Kampf gegen niedrige Inflation und Konjunkturschwäche hat die Notenbank ihre Geldschleusen weit geöffnet. Seit März 2015 kauft sie Staatsanleihen und Unternehmenspapiere im Milliardenwert. Das Programm läuft bis mindestens Ende 2017. Seit April fließen aber nur noch 60 Mrd. statt 80 Mrd. Euro monatlich.
Das viele billige Geld soll im Idealfall die Konjunktur ankurbeln und auch die Teuerung anheizen. Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Konjunkturrisiko. Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben in der Erwartung, dass es bald noch billiger wird. Das könnte die Wirtschaftsentwicklung abwürgen.
Die Finanzbranche klagt, die EZB-Politik schwäche die Banken. "Während der Nutzen dieser Geldpolitik nicht mehr steigt, nehmen die Risiken und Nebenwirkungen kontinuierlich zu je länger die EZB ihren Kurs fortsetzt", kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB, Michael Kemmer, im "Handelsblatt". Der negative Einlagezins wirke wie eine Sondersteuer. Zurzeit zahlten Geschäftsbanken im Euroraum jeden Monat eine halbe Milliarde Euro.