Alle Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) müssten die Verpflichtungen einhalten, die sie bei Chinas WTO-Beitritt 2001 eingegangen seien - und somit den Stichtag 11. Dezember 2016 einhalten, China als Marktwirtschaft zu behandeln.
Dies, "um zu vermeiden, dass die normale Entwicklung der bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen beeinträchtigt wird", sagte der Sprecher des Handelsministeriums in Peking, Shen Danyang, am Freitag. Der Stichtag ist übermorgen, Sonntag (11. Dezember).
In Artikel 15 des WTO-Beitrittsvertrages war den Chinesen zugesagt worden, spätestens nach 15 Jahren - also bis zum 11. Dezember 2016 - wie eine Marktwirtschaft behandelt zu werden. Der Status schützt vor hohen Strafzöllen bei Klagen, dass Waren unter Preis angeboten werden. Die EU brachte unterdessen drei neue Anti-Dumping-Untersuchungen gegen Stahl- und Eisenprodukte aus China und Indien auf den Weg, wie die EU-Kommission in Brüssel berichtete.
Ambivalentes Verhältnis zu China
Die Europäische Union setzt der Stichtag unter Druck. Nach Einschätzung von Juristen wird sie von diesem Sonntag an keine neuen Anti-Dumping-Verfahren mehr gegen China nach den alten Regeln einleiten können, ohne das Risiko von hohen Strafen einzugehen. Gleichzeitig gab es aber bis Freitag noch keine Einigung darüber, wie von chinesischen Billigimporten betroffene EU-Unternehmen künftig geschützt werden sollen.
Grund dafür sind stark unterschiedliche Interessen. In der europäischen Auto- und Bauindustrie gibt es Unternehmen, für die es sehr nützlich ist, wenn sie Stahl günstig in China kaufen können. Auf der anderen Seite stehen europäische Stahlwerke, Fahrradhersteller oder Solarunternehmen, die wegen der Billig-Konkurrenz aus China ihre Existenz gefährdet sehen.
Die unterschiedliche Sicht der Dinge schlägt sich auch auf die Positionen von Regierungen nieder. Während einige EU-Staaten aus Angst vor Arbeitsplatzverlusten am liebsten sehr strenge neue Regeln sähen, wollen solche wie Großbritannien oder Schweden dies nicht akzeptieren. Letztere befürchten zum Beispiel, dass höhere Zölle letztlich auch zu Preiserhöhungen für Verbraucher führen könnten. Die Bundesregierung plädierte zuletzt für einen Mittelweg und hoffte auf einen Kompromiss. Dieser sollte eventuell noch am Freitagabend bei einem EU-Botschaftertreffen ausgehandelt werden.
Chinesische Exportschwemme?
Die Befürchtungen sind nach einer neuen Studie aber übertrieben. Eine Einstufung Chinas als Marktwirtschaft würde keineswegs eine Schwemme chinesischer Exporte nach Europa auslösen, ergibt eine Studie des deutschen ifo-Instituts München im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, die der Deutschen Presse-Agentur in Peking vorlag. Gerade einmal drei Prozent der chinesischen Gesamtexporte in die EU seien betroffen.
Würde Chinas tatsächlich als Marktwirtschaft behandelt und fielen dadurch etwaige Strafzölle wegen Dumpings niedriger aus, würden die betroffenen Warenexporte um ein Prozent oder 150 Millionen US-Dollar steigen, heißt es in der Studie weiter. Das wären 0,03 Prozent der Gesamtimporte der EU aus China im Jahr 2014.
"Planwirtschaftliche Elemente"
Die Studie behandelt in einem zweiten Szenario auch den fiktiven Extremfall, dass Dumping aufgrund einer geänderten Gesetzeslage gar nicht mehr zu identifizieren sein könnte und daher gar keine Strafzölle mehr erhoben würden. Dann könnten sich die Exporte der betroffenen Produkte um 29 Prozent erhöhen. Das entspräche einem Exportvolumen von etwa 4,3 Milliarden US-Dollar - oder auch nur einem Prozent aller EU-Importe aus China im Jahr 2014.
Auch wenn nicht mit einer unkontrollierbaren Exportschwemme zu rechnen sei, müssten europäische Unternehmen aber weiter in der Lage sein, sich gegen verzerrte Wettbewerbsbedingungen zu schützen, heißt es in der Studie. In China seien planwirtschaftliche Elemente und staatliche Eingriffe weiter Teil des Systems, kommentieren die Autoren die Studie. "Trotz des fulminanten wirtschaftlichen Aufstiegs hat sich China aber nicht in eine Marktwirtschaft verwandelt - zumindest nicht nach westlichen Standards."