Die Niederländische Verkehrsministerin Melanie Schultz van Haegene hat eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) angekündigt, in Österreich denkt man darüber nach. Das deutsche Verkehrsministerium sieht möglichen Klagen gelassen entgegen und will die von der EU erwirkten Änderungen der geltenden Gesetze rasch umsetzen. Die deutsche Opposition forderte einen Stopp der Maut. Unklar ist daher im Moment, ob es zu einem weiteren Rechtsstreit kommt und ob sich potentielle Mautbetreiber eventuell dadurch abschrecken lassen.
Dobrindt (CSU) verteidigte das Vorhaben gegen Kritik. Nun könnten zügig die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Gerechtigkeit auf den Straßen herrsche und der Grundsatz gelte: "Wer nutzt, der zahlt auch", sagte er am Freitag im Bundestag. Dabei werde kein inländischer Fahrer zusätzlich belastet.
Jahrelanger Streit
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die außergerichtliche Einigung. Es sei gut, dass die EU-Kommission zu der Einschätzung gekommen sei, dass die Abgabe mit den Änderungen europarechtskonform sei, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer.
Brüssel hatte nach jahrelangem Streit unter der Bedingung mehrerer Nachbesserungen grünes Licht für die Pkw-Maut gegeben. Demnach sollen inländische Autobesitzer weiterhin voll für Mautzahlungen entlastet werden. Sehr schadstoffarme Autos sollen aber mehr Steuerentlastung bekommen, als sie Maut zahlen - insgesamt geht es um jährlich 100 Millionen Euro mehr als bisher vorgesehen.
Kurzzeittarife neu gestafelt
Außerdem sollen die Preise der Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland neu gestaltet werden. Laut Dobrindt soll es bei dem erwarteten Ertrag von unter dem Strich 500 Millionen Euro im Jahr bleiben. Angestrebt wird nun eine schnelle Umsetzung. Ein Änderungs-Entwurf solle noch in diesem Jahr in die regierungsinterne Abstimmung gehen, sagte ein Ministeriumssprecher.
Tschechien warnte ebenfalls vor einer Ungleichbehandlung von Deutschen und EU-Ausländern durch die Maut. Ob sich Prag einer Klage anschließen würde, ist aber unklar. Grundsätzlich habe Berlin ein Recht darauf, eine Pkw-Maut zu erheben, sagte Verkehrsminister Dan Tok.
Der österreichische Ressortchef Jörg Leichtfried hatte kritisiert, die Diskriminierung von Fahrern aus dem Ausland sei ein bisschen mehr verschleiert, aber immer noch da. Dobrindts Ministerium verwies dagegen auf die Einschätzung der EU-Kommission, dass nun ein Modell für eine diskriminierungsfreie Maut vereinbart worden sei.
Was auf die Autofahrer zukommt
STRASSENNETZ: Inländer sollen in Deutschland für das knapp 13.000 Kilometer lange Autobahnnetz und das 39.000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen Maut zahlen. Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf den Autobahnen.
MAUTPREISE FÜR INLÄNDER: Alle inländischen Autobesitzer müssen eine Jahresmaut zahlen, die vom Konto abgebucht wird. Sie richtet sich nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Autos. Im Schnitt kostet sie 74 Euro, maximal 130 Euro. Benziner sind günstiger als Diesel.
MAUTPREISE FÜR FAHRER AUS DEM AUSLAND: Für Ausländer gibt es neben der genauso berechneten Jahresmaut auch zwei mögliche Kurzzeittarife: Eine Zehn-Tages-Maut für 2,50, 4, 8, 14 oder 20 Euro sowie eine Zwei-Monats-Maut für 7, 11, 18, 30 oder 40 Euro.
AUSGLEICH FÜR INLÄNDER: Inländer sollen für Mautzahlungen durch eine geringere Kfz-Steuer entlastet werden - auf den Cent genau. So würden etwa für einen VW Polo 1.2 TSI künftig 24 Euro Maut und 28 Euro Steuer fällig - statt bisher 52 Euro Steuer. Bei besonders sauberen Autos (Euro 6) soll die Steuer sogar stärker sinken als der Mautbetrag.
BESONDERE FAHRZEUGE: Mautpflichtig sind auch Wohnmobile. Motorräder, Elektroautos, Wagen von Behinderten und Krankenwagen sind mautfrei.
KONTROLLEN: Statt an Klebe-Vignetten sollen Mautzahler über das Nummernschild ihres Autos zu erkennen sein. Kontrolliert werden soll dies in Stichproben durch einen elektronischen Kennzeichen-Abgleich. Daten sollen nur hierfür erfasst und schnell wieder gelöscht werden.
STRAFEN: Wer keine Maut zahlt und erwischt wird, muss eine Geldstrafe zahlen. Genaue Summen sind noch nicht festgelegt. Geldstrafen sollen auch im Ausland eingetrieben werden.
RÜCKZAHLUNGEN: Inländer, die nachweisen wollen und können, dass sie in einem Jahr nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen gefahren sind, können die Maut zurückfordern. Nachweis könnte ein Fahrtenbuch sein.
INKRAFTTRETEN: Wann die Regelungen greifen, ist vorerst offen. Zuerst müssen die bereits geltenden Gesetze geändert werden. Sicher ist: Starten kann die Maut erst nach der Bundestagswahl im Herbst 2017.