Corona - vor zwei Jahren vorwiegend Astronomen und Bierliebhabern ein Begriff - stoppte unser Leben wie eine ungewollte Notbremsung. Obwohl es nun scheint, als steuere die Krise langsam auf ihr Ende zu, ist aus heutiger Sicht nicht abschätzbar, ob die Pandemie vorbei ist, oder nur der Anfang einer langen Phase immer wiederkehrender, lokal aufflackernder Infektionsherde. Oder aber das Vorspiel zu einer noch viel schlimmeren Pandemie, mit hochinfektiösen und noch tödlicheren Viren. Während dieses Szenario unwahrscheinlich ist, darf angenommen werden, dass uns das Virus erhalten bleibt.

Dennoch ist jetzt ein guter Zeitpunkt zu reflektieren, wo wir als Gesellschaft stehen und wo wir in Zukunft hinwollen. Jeder von uns konnte klar erkennen, wo die Schwachpunkte unseres Systems liegen, aber auch wo wir stark sind. Genau deshalb macht es in der jetzigen Phase des Durchatmens Sinn, darüber nachzudenken, wie man die Steiermark weiterentwickeln und langfristig stärken kann: In welchen Bereichen soll die Steiermark führend sein bzw. wofür soll die Steiermark in 20 oder gar in 50 Jahren stehen?

Viel spricht für vier Erfolgsfaktoren, die zentral notwendig sind: Erstens, eine langfristige Strategie, die auf steirischer Kompetenz beruht. Zweitens, eine Politik, die sich neben (unerträglichem) parteipolitischen Hickhack wieder mit langfristiger, zukunftsorientierter Entwicklung beschäftigt. Drittens, das Herausarbeiten von Exzellenzfeldern mit Leuchtturmcharakter und viertens visionäre Persönlichkeiten, die es verstehen, Strategien gegen den Widerstand der Mittelmäßigkeit und des Neides weiterzuverfolgen

Die Frage ist nun, was sind diese Exzellenzfelder, in denen die Steiermark reüssieren kann? Was sind die wichtigen Technologien der Zukunft? Aus unserer Sicht sind das die grünen Technologien und Energie, die Digitalisierung, die Mobilität und natürlich das breite Thema Gesundheit. In allen diesen Bereichen passiert gerade ein dramatischer Wandel im Rahmen eines brutalen internationalen Wettbewerbs um die besten Ideen und Strategien. Die Steiermark hat durchaus etwas zu bieten: Silicon Alps, das Innovationsprojekt der Mikroelektronik in der Steiermark, ist ein spätes aber deutliches Signal, diesen Bereich nicht zu vernachlässigen. Mobilität war und ist ein wichtiges Thema, die sich abzeichnende Abwendung vom Verbrennungsmotor aber eine äußerst schwierige Herausforderung für den Standort, die bewältigt werden muss. Grüne Technologien beginnen wieder zaghaft als eine Szene heranzuwachsen. Bei Gesundheit und Medizin zeigt die steirische Universitäts- und Industrielandschaft jedes Jahr eine steigende Anzahl von Aktivitäten. Medizin und die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten werden jedenfalls in den nächsten Jahrzehnten wichtige Bausteine in unserer Gesellschaft bleiben. Und hier könnte sich gerade ein wirklich weltweit strahlender Leuchtturm etablieren.

Versorgungswege für Medikamente  beschleunigen

Eine wichtige Lehre aus der Covid-Krise ist nämlich, dass man Versorgungswege für Medikamente, die bis zu einem Jahr dauern, drastisch beschleunigen muss. Heutzutage sind wir abhängig von Wirkstoffproduzenten, die fast ausnahmslos aus China und Indien stammen. Kaum ein Wirkstoff, der in den gängigen Medikamenten verarbeitet wird, stammt aus Europa. Diese Abhängigkeit bietet zwar enorme Kostenvorteile für Produzenten und Konsumenten, sie kann in Krisenzeiten aber böse enden, wenn nationale Grenzen zugemacht oder Lieferketten unterbrochen werden. Der wohl einzige Ausweg wäre, dass man durch technologischen Fortschritt eine Situation schafft, in der mittels besserer Technologien Wirkstoffe und Medikamente vor Ort schneller und kostengünstiger produziert werden können.

Das pharmazeutische Forschungszentrum RCPE GmbH in Graz, in Zusammenarbeit mit den Grazer Universitäten, beschäftigt sich seit Jahren mit so einer neuen High-Speed Technologie, die uns tatsächlich in die Lage versetzt, Medikamente in deutlich kürzerer Zeit und mittels wesentlich kleinerer Anlagen oder Fabriken herzustellen. Diese High-Speed Technologie beruht auf einem Durchflussverfahren, in dem Wirkstoffe und Hilfsstoffe durch die Anlage „fließen“ während deren Qualität in Echtzeit kontinuierlich überwacht wird: 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche mit geringem Platzbedarf und geringem Ausschuss. Neue Produkte können so viel schneller produziert und in erstklassiger Qualität und in großer Zahl zur Verfügung gestellt werden. Im Grunde hat die Technologie das Potenzial, die derzeit vorherrschende weltweite Versorgungskette zu sprengen. Medikamente könnten lokal und flexibel „on demand“ produziert werden, was einer echten Revolution gleichkommt. Die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten und von langsamen Produktionsverfahren wäre Vergangenheit.

Steiermark kann hier internationaler Themenführer werden

Um das noch einmal zu verdeutlichen: In einer Studie wurde berechnet, dass man innerhalb von etwa 2 Wochen mit so einer High-Speed-Anlage (die übrigens in einen Container passen würde) rund 10 Millionen mRNA Impfdosen produzieren könnte, also genug für eine Erstversorgung von ganz Österreich. Obwohl hier freilich nur die Produktionszeit einbezogen und die Entwicklungszeit nicht berücksichtigt wurde, bedeutet das dennoch eine drastische Beschleunigung und einen echten Schritt nach vorne.

Die Steiermark ist federführend an dieser Entwicklung beteiligt und hätte auch das Potenzial, der Themenführer in Europa und auch weltweit zu werden. Es sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass die USA bereits hunderte Millionen Dollar in ähnliche Systeme investiert haben. Damit haben sie im Wettlauf schon einige Meilen gemacht.

Hier schließt sich der Kreis: Es braucht Persönlichkeiten in der Politik und am Standort, die die Dimension dieses Potenzials erkennen können und daran glauben, dass die Steiermark außerordentliches zu leisten vermag, wenn man zielgerichtet investiert. In 20 Jahren könnte die Steiermark auf diese Weise ein Pharma-Standort auf internationalem Spitzenniveau werden, mit tausenden hoch qualifizierten Arbeitsplätzen. Allerdings kann solch eine Vision nur dann Realität werden, wenn jetzt die Bereitschaft der Politik gegeben ist, die Grundlagen für solche eine Entwicklung zu schaffen.