Lange war man sich in der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt nicht im Klaren, ob man auch einen digitalen Euro auf den Weg bringen solle. Die Entscheidung für das Projekt löste bei Banken wenig Gegenliebe aus und schürte in der Bevölkerung Sorgen vor einer möglichen Abschaffung des Bargelds. Der renommierte deutsche Ökonom Peter Bofinger, der viele Jahre einer der Wirtschaftsweisen Deutschlands war, fordert jetzt erstmals klar einen Stopp des Projekts. In Wien warnt er bei einem Pressegespräch: "Der Nutzen ist kaum erkennbar, die Kosten sind voraussichtlich hoch und die Risiken nicht gering."

Dass Bofinger diese harten Aussagen in Wien macht und nicht in Deutschland, hat den Hintergrund, dass er zusammen mit Thomas Haas von der Uni Würzburg für Österreichs Banken ein Gutachten erstellte. Willibald Cernko, Erste-Group-Chef und Obmann der Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer, zieht aus der gut 50-seitigen Studie den Schluss: "Wir dürfen den digitalen Euro nicht einfach durchwinken, das ist zu relevant für Europa."

Peter Bofinger
Peter Bofinger © (c) IMAGO/IPON (IMAGO/IMAGO)

Bofinger: "Das geht in die falsche Richtung"

Bofinger antwortet auf die Frage, ob er zum Projekt des digitalen Euro denke: "Weg damit, sofort!", eindeutig: "Ja, das geht in die falsche Richtung, es verhindert geradezu, dass man in die Richtung der europäischen Zahlungsinitiative geht." Die European Payment Initiative (EPI) wäre Bofinger und Cernko zufolge eine einfache, im Grunde schnell funktionierende Alternative zum digitalen Euro. Dieses Modell von europäischen Banken und Zahlungsdienstleistern arbeitet mit QR-Codes, über die Zahlungsfreigaben von Käufern sicher erfolgen könnten. Ein entsprechendes niederländisches Modell soll jetzt offenbar für das EPI übernommen werden, nachdem man sich lange vorher nicht auf einen gemeinsamen Standard einigen konnte. Auch die Schweiz hat ein eigenes bargeldloses QR-Code-Bezahlsystem mit Namen Twint. Bei allen Systemen geht es um die Abfrage der Zahlungsfähigkeit.

Willibald Cernko
Willibald Cernko © (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)

Von Österreich dürfte nun eine Initiative gegen den digitalen Euro ausgehen – mit Cernko an der Spitze: "Das Modell ist einfach nicht durchdacht", sagt Österreichs mächtigster Banker. Wenn der digitale Euro mehr Unabhängigkeit von den großen US-amerikanischen Zahldienst-Giganten wie Visa, Mastercard oder Paypal bringen solle, das neue System aber nur mithilfe dieser genannten drei funktionieren könne, "dann ist das ein Stück weit ein Treppenwitz", so Cernko. Vonseiten der EZB habe man sich mit den Banken bisher vornehmlich über die technische Machbarkeit ausgetauscht, "statt nach dem Nutzen zu fragen".

Bofinger sieht keine sinnvollen Anwendungsfälle für den digitalen Euro, dafür aber einen grundlegenden Eingriff in das Zahlungssystem. Dafür gebe es keine Rechtfertigung, die EZB habe bisher auch selbst keine stichhaltigen Argumente dafür vorgelegt. Über eine notwendige neue Bezahlinfrastruktur und deren Kosten innerhalb Europas habe man sich in der EZB erstaunlich wenig Gedanken gemacht. Für den Verbraucher erkennt Bofinger keinen Nutzen im digitalen Euro, man könne ihn mit alkoholfreiem Wein vergleichen. Am Wein schätze man den Alkohol, am Bargeld das physische Vorhandensein.

Zweifel über Zweifel

Bofinger bezweifelt, dass ein digitaler Euro die Souveränität der Europäischen Union stärkt. "Zahlungssysteme funktionieren prinzipiell mit jeder Währung", so Bofinger im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Dass der digitale Euro angeblich sicherer sein soll als das Geld am Girokonto einer Bank, lässt Bofinger auch nicht gelten. Bis 100.000 Euro seien die Verbraucher ohnedies abgesichert, sollte eine Bank zusammenbrechen. Unbegrenzt soll jedenfalls niemand Digitaleuros in seine digitale Börse packen können. Derzeit ist von einem 3000-Euro-Limit die Rede. Denn ohne ein solches Limit könnten Banken-Runs per Klicks passieren.

Auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) meldet sich zu Wort. "Grundsätzlich unterstützen wir das Ziel der Kommission, die Rolle des Euros zu stärken. Wir sind jedoch dagegen, dass Österreicherinnen und Österreicher verpflichtet werden, den digitalen Euro zu verwenden", schreibt er in einer Stellungnahme.