An Vermessenheit grenzt es geradezu, dem großen Philosophen und Landsmann Konrad Paul Liessmann widersprechen zu wollen. Dennoch will ich es wagen, seine intellektuellen Variationen zum Thema Arbeit an meiner ebenso jahrzehntelangen Befassung mit den Themen Wirtschaft und Arbeit abzugleichen. Was für ein pastellfarbenes Zukunftsbild, das Liessmann uns malt: Die Digitalisierung befreit die Bevölkerung vom Zwang zur Fronarbeit. Ohne sinnlosen "Tschoch" finden die Menschen Kraft und Zeit, sich anderen (unentgeltlichen) Arbeitsformen zu widmen. Arbeitszeitverkürzungen und bedingungsloses Grundeinkommen sind Stationen auf dem Weg dorthin. "Die Teilzeitarbeit ist kein Missstand, sondern ein Zukunftsmodell", so Liessmann abschließend.

Der Gelehrte dürfte einige Stockwerke zu hoch im Elfenbeinturm der Akademia hausen. Zurück auf den harten Boden der Realität, auch auf die Gefahr hin, dass dort wenig sozialromantisches Lametta liegt: Als hoch entwickelte Volkswirtschaft leistet sich Österreich ein (mindestens) ebenso hoch entwickeltes Sozial- und Gesundheitssystem, das kaum seinesgleichen kennt auf der Welt. Ohne die Wirtschaft als Kooperationsprojekt von Unternehmenden und Beschäftigten ist aber kein Staat zu machen: Fast 222 Milliarden Euro hat "der Staat" im vergangenen Jahr von Unternehmen und arbeitenden Menschen eingehoben (und etwa 236 Milliarden ausgegeben).

Jürgen Mandl ist Präsident der Wirtschaftskammer Kärnten
Jürgen Mandl ist Präsident der Wirtschaftskammer Kärnten © Markus Traussnig

Mehr als 30 Prozent machen Teilzeit

Dieser alles (alles!) entscheidenden Wirtschaft fehlen heute schon 300.000 Arbeitskräfte. In einigen Jahren werden es 500.000 sein. Und neben der Überalterung unserer Gesellschaft ist eine der Ursachen dafür der Trend zur Teilzeitarbeit, die schon mehr als 30 Prozent aller Beschäftigten in Anspruch nehmen. Und hier ist nicht die Rede von (vorwiegend) Frauen mit Betreuungspflichten für Kinder oder Ältere, denn das trifft nicht einmal auf die Hälfte der in Teilzeit arbeitenden Frauen zu.

Wie soll ein Vollzeit-Staat funktionieren?

Der große Rest arbeitet weniger wegen der "Work-Life-Balance", weil es sich finanziell auch so ausgeht oder aus anderen individuellen Gründen. Aber wie soll bei bald einem Drittel in Teilzeit Arbeitender ein Vollzeit-Staat funktionieren? Wer erwirtschaftet die Wertschöpfung, wer bezahlt die Pensionen, wer leistet die volle Arbeitszeit in den Schulen, den Krankenhäusern, bei der Polizei oder im Schichtbetrieb einer unter Volllast laufenden Industrie?

Kein Zukunftsmodell

Ja, in der Science-Fiction werden alle Menschen von der Bürde der Erwerbsarbeit befreit in kreativer Gelassenheit durchs Paradies wandeln. Aber bis dahin müssen wir uns alle – und zwar mehr, nicht weniger – anstrengen, damit uns auf dem Weg dorthin nicht der gesellschaftliche Wohlstand ausgeht. Teilzeitarbeit ist daher kein Zukunfts-, sondern ein Verarmungsmodell.