Es hat ein wenig länger gedauert, aber jetzt steht der neue Nighjet der ÖBB tatsächlich auf den Schienen. Zum 100-Jahr-Fest der ÖBB hatte das Warten ein Ende. Der völlig neu konzipierte und von Siemens gebaute Nachtzug soll das wichtigste Vehikel der Bahn werden, um in den nächsten Jahren ein europaweites Verbindungsnetz mit komfortablen Schlafwagen aufzuziehen. Bei der großen Eisenbahnerparty auf dem Stückgutbahnhof des ehemaligen Norwestbahnhofs in Wien war der Zug jedenfalls die Attraktion, für die sich Hunderte Menschen anstellten.
ÖBB-Chef Andreas Matthä machte zwischen Interviews fleißig Selfies vor dem blau glänzenden Zug. Verkehrs- und Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) zeigte sich beeindruckt: „Da kriegt man schon ein bissl die Gänsehaut. Ich freue mich schon wirklich darauf, mit ihm zu fahren.“ Die Ministerin ist möglicherweise der Nightjet-Gast der ÖBB mit den meisten Fahrten am Konto.

Gerne hätten die ÖBB ihre Flottenerneuerung schon vor zwei Jahren gestartet. Lieferkettenprobleme hatten Siemens allerdings zu schaffen gemacht. Die Bahn steht umgekehrt unter Druck, weil im Fernreiseverkehr schon 20 Prozent mehr Menschen unterwegs sind als vor der Pandemie 2019. Die bestehenden Nachtzugverbindungen sind größtenteils mehrere Monate im Voraus ausgebucht. Für den neuen Nightjet erwartet man in der Bahn einen Kundenansturm. Mit der nächsten Lieferwelle, die für das Frühjahr versprochen ist, soll es weitere Strecken, aber auch Taktverdichtungen aus Wien heraus geben, erklärt Matthä. Die letzten Siemens-Lieferungen dürften sich bis 2025 ziehen.
„Wir haben einen richtigen Bahnboom“, so Gewessler. "Österreich ist einfach ein Bahnland", sagte sie lächelnd Richtung Kameras, wohl eine Replik auf den Satz von Bundeskanzler Karl Nehmammer (ÖVP) vor einigen Monaten, dass Österreich ein Autoland sei.

Duschen in den Luxus-Kabinen

Fünf Züge sorgen ab 10. Dezember für die Streckenbedienung Wien-Hamburg und Innsbruck-Hamburg. Die siebenteilige Garnitur bietet 254 Plätze für unterschiedliche Bedürfnisse. Mini-Kabinen ermöglichen ungestörtes Reisen auf kleinstem Raum, für Familien oder Gruppen gibt es Vierer-Abteile, zudem bieten zwei De Luxe-Abteile Extra-Komfort.
Raphael Zeissler, einer der Manager im Projektteam, führt begeistert ein paar Raffinessen vor: Offenkundige wie verstellbare Frühstückstische oder Duschen in den Luxus-Kabinen, aber er zeigt auch auf die Fensterscheiben, bei denen ein nahezu unsichtbares Wabengitter den Handy-Empfang massiv verbessern soll - wobei kostenloses WLAN und ein eigenes Onboard-Portal zum Streamen mit an Bord ist.

33 Nightjets hat die Staatsbahn insgesamt bei Siemens geordert. Auftragswert 720 Millionen Euro. „Wir sind damit im Vorteil“, sagt Mättha im Blick auf Konkurrenz. „Andere Bahnen müssen mindestens vier, fünf, sechs Jahre auf solche Züge warten.“