Ob Wolfgang Hesouns Appell eine Rolle in der bevorstehenden Herbstlohnrunde spielen wird, ist fraglich. Der SPÖ-nahe Ex-Chef von Siemens Österreich übt kurz vor dem Start der Gespräche allerdings herbe Kritik an der Gewerkschaft. Hesoun, Obmann des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), stößt die grundsätzliche Weigerung der Arbeitnehmervertreter ziemlich sauer auf, das Thema überhaupt verhandeln zu wollen. Natürlich dürften Lösungen nicht auf Kosten der Mitarbeiter gehen, betont Hesoun bei der FEEI-Jahresbilanz. „Dieses grundsätzliche Ausschließen,“ so Hesoun weiter, „das geht natürlich auch nicht.“

Hesoun: "Schädlich hohes Kostenniveau"

Seine Forderung nach Gesprächen kommt nicht von ungefähr. Im Frühjahr 2024 stehen für die Elektronikindustrie die nächsten Lohnverhandlungen an. 72.000 Mitarbeiter beschäftigt die Branche. Der Industriezweig ist zum drittgrößten Österreichs aufgestiegen. Heuer wollte die Gewerkschaft zwölf Prozent Lohnplus, knapp neun Prozent wurden es. Aus Sicht Hesouns entwickelt sich daraus bereits ein starker Wettbewerbsnachteil. Die Unternehmen bewegten sich längst auf einem schädlich hohen Kostenniveau.

Die KV-Logik

Das Hauptproblem bei Einmalzahlungen sei, dass sie nicht in die KV-Logik passten, weil die Ausgangsbasis für die nächsten Verhandlungen geschmälert werde. „Das ist lösbar,“ sagt Hesoun. Und zwar seiner Meinung nach über eine gewisse Zeitverschiebung: Knapp ein Jahr lang gebe es Einmalzahlungen, vor der KV-Runde beziehe man den Betrag in das KV-Gehalt ein. Hesoun: „So verringert sich die Absprungbasis nicht.“
Komplexer ist der zweite Aspekt, er betrifft rechtliche Grundlagen: Einmalzahlungen sind für die Sozialversicherung nicht beitragswirksam. Hier will der FEEI-Obmann bessere „Rahmenbedingungen“. Ziel müsse sein, bei gleichem Netto für die Arbeitnehmer niedrigere KV-Abschlüsse zusammenzubringen.

Die Sorgen der Branche

Immer angespannter sieht die FEEI-Geschäftsführerin Marion Mitsch die Lage in der Elektronikindustrie. „Die Auftragsrückgänge sind ein signifikantes Zeichen, dass es nicht mehr ganz so rund läuft,“ erklärt sie. Die aktuell meisten Sorgen macht sich die Branche über die immer schwächere Nachfrage aus Deutschland. Dorthin gehen 29 Prozent der gesamten Produktion. Insgesamt liegt die Exportquote bei 84 Prozent. Die Produktionszahlen für 2022, die der FEEI am Dienstag präsentierte, zeichnen dagegen ein Bild mit Rekordzahlen. Was Hesoun zufolge Corona-Nachholeffekten geschuldet ist. Der Produktionswert stieg um fast 16 Prozent auf 23,3 Milliarden Euro. Das sind fast fünf Milliarden Euro mehr als vor der Pandemie. Die rund 290 Betriebe beschäftigen heute 3000 Mitarbeiter mehr als 2019.

Produktionsverlagerungen?

Kostendruck und auch Fachkräftemangel würden viele Unternehmen mit noch mehr Automatisierung und Digitalisierung begegnen. Hesoun: „Das sehe ich nicht unbedingt als Nachteil.“ Dem FEEI-internen Branchenbarometer zufolge überlegen oder planen aber schon mehr als 40 Prozent der Unternehmen, Produktionen ins Ausland zu verlagern. Hesoun beruhigt, er sieht hier kein „entweder oder“, sondern ein „sowohl als auch“, etwa beispielsweise die Gründung einer Exporttochter in den USA. Er sagt: „Die Situation, dass Unternehmen hier schließen und woanders aufmachen, das wird in den seltensten Fällen ein Thema sein.“